Zuwanderungsgesetz: Das IZA empfiehlt Punktesystem und drei Säulen

Das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn hat bereits 2011 ein neues Zuwanderungsgesetz empfohlen. Entwicklungen des deutschen Zuwanderungsrechts seit 2012 weisen Parallelen zu den Vorschlägen im damaligen IZA-Report auf. Nun startete kürzlich das Modellprojekt, das Fachkräften aus Drittstaaten den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll – nach Punkten und nach Quote. Wir sprachen mit Dr. Ulf Rinne vom IZA darüber, was noch fehlt.

Employland: Sie sprechen von einer notwendigen Potenzialorientierung? Was bedeutet diese? Und inwiefern steht sie im Gegensatz zur bisherigen deutschen Gesetzeslage, wenn es um Zuwanderung geht?

Dr. Ulf Rinne: Im Kern geht es darum, konsequenter als bislang nach den klügsten Köpfen für Deutschland zu suchen, statt darauf zu hoffen und zu warten, dass sie sich von allein für uns entscheiden. Wir haben zwar auf dem Papier vergleichsweise großzügige Zuwanderungsangebote, aber sie werden nicht aktiv kommuniziert. Da sind uns andere Staaten weit voraus. Die „Besten“ orientieren sich heute deshalb noch viel zu oft nach Kanada, in die USA oder nach Australien. Momentan ist die deutsche Zuwanderungspolitik zudem vor allem nachfrageorientiert – ein Arbeitsplatzangebot ist sehr wichtig. Wir brauchen daneben eine viele stärkere Angebots- oder eben Potenzialorientierung. Zuwanderer mit besonderen Qualifikationen sollten unbürokratischer als bislang eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erhalten – unabhängig davon, ob bereits ein Arbeitsplatzangebot vorliegt. Das lässt sich am besten über ein aktives Auswahlsystem mit klaren Kriterien und Quoten organisieren.

Modellprojekt qualifizierte Zuwanderung
Dr. Ulf Rinne vom IZA Bonn

Employland: Sie haben sich bereits im Jahr 2011 im IZA-Report „Ein Punktesystem zur bedarfsorientierten Steuerung der Zuwanderung nach Deutschland?“ für ein neues Zuwanderungsgesetz ausgesprochen. Ihre Empfehlung: Eine Drei-Säulen-Strategie. Seit 2012 gibt es die Blue Card – ist die erste Säule somit umgesetzt? Das neue Modellprojekt – ist das Säule Nummer zwei? Was halten Sie von der Voraussetzung des Arbeitsplatzangebots?

Dr. Ulf Rinne: Der Ansatz der Blue Card für Akademiker aus Nicht-EU-Staaten ist völlig richtig: Der Paradigmenwechsel von der Abschottung zur aktiven Steuerung qualifizierter Zuwanderung ist klar erkennbar. Nur bleiben die Zahlen der Zuwanderer, die auf diesem Weg zu uns gelangen, bislang deutlich hinter den Erwartungen zurück – weil das Paket schlichtweg nicht attraktiv genug ist. Unser Vorschlag einer Drei-Säulen-Strategie tritt neben die bestehenden Regelungen und ergänzt sie. Im Zentrum steht dabei ein Punktesystem, das deutlich macht, wer Chancen hat und wer nicht. Ob Neuzuwanderer sich über das Angebot der Blue Card oder ein anderes Auswahlsystem für Deutschland qualifizieren, bleibt für das grundsätzliche Prinzip einer bedarfsgerechten Steuerung letztlich unerheblich. Wichtig ist, langfristig die Zuwanderung zu verstetigen und dabei den Anteil qualifizierter Fachkräfte zu steigern. Dabei kann das Arbeitsplatzangebot eine Voraussetzung zur Einreise darstellen. Für hochqualifizierte Bewerber halten wir es aber nicht für erforderlich. Neben Akademikern berücksichtigt unser Konzept als zweite Säule auch Ausbildungsberufe gesondert, dies ist in der Tat eine Parallele zum Modellprojekt in Baden-Württemberg. Für diese Personen ist mittel- bis langfristig ein Bedarf bzw. Engpass auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu erwarten, ganz ähnlich wie bei Akademikern. Unser Konzept sieht ebenso wie das Modellprojekt hier ein obligatorisches Arbeitsplatzangebot vor.

Employland: Drei Säulen. Die erste: Akademiker, die zweite: Beruflich Qualifizierte. Welche ist die dritte Säule?

Dr. Ulf Rinne: Während die ersten beiden Säulen unseres Konzeptes die langfristige Perspektive in den Mittelpunkt stellen, tritt daneben eine dritte Säule, die eine temporäre Zuwanderung von Fachkräften ermöglicht. So kann auch ein kurzfristig auftretender und mutmaßlich auch nur befristet entstehender Arbeitskräftebedarf gedeckt werden. Im Rahmen dieser Säule ist die Zuwanderung deshalb strikt befristet und basiert nicht auf einem Punktesystem. Die Einreiseerlaubnis ist ausschließlich an ein Arbeitsplatzangebot gebunden und wird zunächst für die Dauer des Arbeitsvertrages gewährt, jedoch maximal für drei Jahre. Im Verlauf dieser Zeit ist dabei jederzeit eine Bewerbung in den Punktesystemen der anderen beiden Säulen möglich, so dass die Durchlässigkeit des Systems gewährleistet ist. Diese Durchlässigkeit ist im Übrigen auch für andere Zuwanderergruppen wie etwa Flüchtlinge vorgesehen. Die Möglichkeit zum „Statuswechsel“ könnte somit auch zu einer Entlastung des Asylverfahrens beitragen. Wenn im Verlauf der Asylprüfung besondere Qualifikationen festgestellt werden, kann der Zugang zum Punktesystem ermöglicht und im Erfolgsfall das Asylverfahren beendet werden.

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