Liberalisierte Zuwanderung – vermarkten oder vermitteln?

Die Zugangsmöglichkeiten für ausländische Fachkräfte zum deutschen Arbeitsmarkt sind in den vergangenen Jahren erheblich verbessert worden. Im Wettbewerb um „die Besten“ steht Deutschland damit rechtlich-institutionell gut da. Doch Arbeitgeber, Politiker und Migrationsexperten bemängeln, dass der Paradigmenwechsel vor allem im Ausland noch nicht hinreichend angekommen ist. Warum?

Besser nach außen verkaufen müsse man die neuen Regelungen, meinen die einen, die anderen sehen Nachbesserungsbedarf im Informationstransfer der beteiligten Akteure. Vermarkten oder vermitteln – zwei Seiten einer Medaille oder grundlegende Kontroverse?

Bürokratie erschwert Wettbewerbsfähigkeit

Tue Gutes und sprich darüber, lautet eine alte PR-Weißheit. Im Klartext: Nur wer seine guten Angebote auch positiv darstellt, hat Erfolg. Die deutsche Einwanderungspolitik sei besser als ihr Ruf, behauptet denn auch Thomas Bauer, Mitglied des Sachverständigenrats Deutscher Stiftungen für Integration und Migration. Die internationale Wahrnehmung hänge einem Zerrbild nach, so der Migrationsexperte. Er beruft sich dabei auf das Jahresgutachten des SVR. Im Vergleich zu traditionellen Einwanderungsländern wie Kanada, USA oder dem europäischen Spitzenreiter Schweden ist die deutsche Einwanderungspolitik für Hochqualifizierte deutlich liberaler, hebt der Sachverständigenrat im Gutachten hervor.

Dass diese neuen Zuwanderungsbestimmungen nicht überall bekannt sind, dafür macht Bauer das Fehlen eines Gesamtkonzeptes verantwortlich. Zuwanderungsbestimmungen seien auf zu viele verschiedene Gesetze und Regelungen verteilt, um sie wettbewerbsfähig nach außen darstellen zu können. Österreich etwa habe mit dem Label „Rot-Weiß-Rot“ seine Einwanderungspolitik mit einem hohen Wiedererkennungswert symbolträchtig positioniert. Das Label, das die Farben der Nationalflagge aufnimmt und auf die Green Card in den USA anspielt, wirke nach außen einladend und offen. Also: Bürokratie reduzieren? Nein, sagt Bauer, das richtige System, um Hochqualifizierte anzuwerben, sei vorhanden, die Aufgabe liege darin, einen markttauglichen Nenner zu finden.

Minister fordert Zuwanderungsmarketing

Bundesinnenminister Thomas de Mazière sieht das ähnlich. Laut OECD zähle Deutschland mittlerweile zu den Ländern mit den günstigsten Zuwanderungsregelungen für Fachkräfte. Und er geht noch einen Schritt weiter. Man könne sogar die These vertreten, Deutschland habe ein „äußerst schlankes Punktesystem“ geschaffen. Im Grunde müssten Bewerber zwei Punkte erfüllen, einen Hochschulabschluss und einen Arbeitsvertrag mit einem bestimmten Mindestgehalt.

Dass das deutsche Zuwanderungsgesetz im Ausland dennoch als kompliziert und beschränkend wahrgenommen werde, liegt nach de Mazières Einschätzung – am fehlenden Marketing. „Wir brauchen ein Zuwanderungsmarketing.“ Nicht Gesetze müssten verbessert werden, „besser gemacht“ müsse vor allem die Werbung, die Haltung, die Aufnahme, die Integration und Integrationsbereitschaft werden. Als Marketing-Akteure sieht der Minister vor allem „die Unternehmen, die deutschen Außenhandelskammern im Ausland, die deutschen Auslandsvertretungen“

Aber geht es wirklich darum, ein „gutes System besser zu verpacken“?

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) kommt zu einem anderen Ergebnis. Sie sieht Defizite der beteiligten Stellen in der praktischen Umsetzung der Zuwanderungsregelungen. Die Optimierung von Verwaltungsabläufen auch und gerade in den Auslandsvertretungen gehöre deshalb zu den wichtigsten Aufgaben, so der BDA, der Vorschläge zur besseren Umsetzung der Regelungen erarbeitet hat.

Ansprechpartner bei den Konsulaten seien teilweise nur schwer ausfindig zu machen, entsprechende Fachkenntnisse bzgl. der Regelungen zur Erwerbsmigration fehlten bei den Mitarbeitern. Maßnahmen zur entsprechenden Weiterqualifizierung müssten deshalb sichergestellt werden. Zudem müssten sich die Botschaften in ihrem Selbstverständnis als teil des Zuwanderungsprozesses verstehen.

Kluft zwischen Recht und Praxis

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Migration müsse als ganzheitlicher Prozess, von der Entscheidung d zur Auswanderung bis hin zur erfolgreichen Integration, verstanden werden. Zu den möglichen Maßnahmen gehörten demnach mehrsprachige Informationen und eine systematische Einbindung der deutschen Behörden und Institutionen im Ausland. Konkret benennt die Studie dazu den Ausbau einer Willkommenskultur in den Auslandsvertretungen und die Etablierung von Welcome-Centern in wichtigen Herkunftsländern.

Die Kluft zwischen Recht und Praxis ist also eher das Problem. Umsetzungsdefizite identifiziert auch eine Studie im Rahmen des Förderprogramms „Integration durch Qualifizierung“. Zentrale Handlungsfelder seien u.a. Informationsdefizite und Informationsmöglichkeiten zu rechtlichen Änderungen in Ausländerbehörden, Konsulaten und Botschaften. Dem Fachpersonal fehle oft die Fachkenntnis in Sachen Arbeitsmigration, weil Schulungsangebote aus Zeit- und Kostengründen zum Teil nicht in Anspruch genommen werden konnten, so dass internationale Fachkräfte aus Drittstaaten nicht ausreichend über die gesetzlichen Rahmenbedingungen informiert sind.

Wie lautet denn nun das Gebot der Stunde: Vermarkten oder vermitteln? Sicherlich hat de Mazière recht – es fehlt an Marketing. Um als Regierung vor der eigenen Bevölkerung und als Land vor der Welt glaubhaft zu wirken, gehört zu einem guten Marketing aber auch ein gutes Produkt. Und zu einem guten Produkt gehört nicht nur die entsprechende Hardware, also Gesetze und Regelungen, sondern auch eine passende Software. In diesem Fall also die gute Zusammenarbeit aller Akteure. Wer weiß, was er tut, ist und kann gut beraten. Deshalb: eine schlankere Gesetzgebung und transparente Informationsprozesse sind die Voraussetzung dafür:

1. die liberalisierte Zuwanderung auch praktisch umsetzen zu können, um dann
2. einen praxiserprobten Paradigmenwechsel auch zu vermarkten.

 

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