74 verschiedene Familienformen: Deutschland ist bunt

Individualismus Homo-Ehe

Die deutsche Gesellschaft ist bunt und modern: Alternative Lebensentwürfe und unterschiedliche sexuelle Orientierungen haben Konjunktur. Trotzdem gibt’s einiges zu tun. Für gleiche Rechte gehen in diesem Monat beim Christopher-Street-Day unzählige Homosexuelle auf die Straße. Ein Überblick über Lebensformen in Deutschland.

Patchwork-, Regenbogen-, Ein-Eltern-Familien und gleichgeschlechtliche Eltern: Familie hat einen hohen Stellenwert in Deutschland, aber das klassische Bild von Vater-Mutter-Kind ist nur ein Teil der vielen Lebensformen.

Familie mit Kindern: Abfallender Spitzenreiter unter den Lebensformen

Nur noch knapp die Hälfte der Bevölkerung lebte im Jahr 2014 als Familien mit Kindern zusammen. Damit ist das die Lebensform, für die sich die meisten Menschen in Deutschland auch heutzutage entscheiden – und das gilt auch für die Ehe: Die meisten Eltern minderjähriger Kinder sind verheiratet (69 Prozent). Doch machen andere Lebensformen Karriere. Die Zahl der Eltern, die nicht miteinander verheiratet sind, nimmt zu: Von 1996 bis 2013 verdoppelte sich ihr Anteil an den 8,1 Familien in Deutschland. Es zeigt sich: Die traditionelle Familie verzeichnet einen Bedeutungsverlust. Wer überhaupt heiratet, tut dies immer später. Jede dritte Ehe wird geschieden. Frauen, die Kinder kriegen, sind immer älter und Frauen, die kinderlos bleiben, werden immer mehr.

Lebensformen Deutschland

Je größer der Wohnort, desto mehr Singles gibt es

Paare ohne Kinder stellen laut Demografieportal rund ein Drittel (29 Prozent) der Bevölkerung. 22 Prozent der Bevölkerung machen Alleinstehende aus, davon leben 20 Prozent allein, die restlichen zwei Prozent in Wohngemeinschaften. Dabei zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle: Je größer der Wohnort, desto mehr Singles. In der großstädtischen Bevölkerung sind das 28 Prozent. Nur halb so hoch ist ihr Anteil in Gemeinden mit unter 5000 Einwohnern.

Jede dritte Ehe wird geschieden

Der Trauschein verliert zunehmend an Bedeutung. Geheiratet wird immer später – immer öfter auch gar nicht. Gründe dafür sind zahlreich: Da ist die verlängerte Ausbildungszeit, da sind die vielfältigen Alternativen zur Heirat, die rechtlich und sozial nicht mehr diskreditiert werden. Die Ehe ist kein Muss mehr, um Kinder zu kriegen. Nichteheliche Partnerschaften gelten für viele als attraktiv, weil sie weniger verpflichtend sind. Viele Menschen möchten erst einmal längere Zeit zusammenleben, bevor sie heiraten. Außerdem ist in der heutigen Zeit Mobilität gefragt. Dadurch leben viele Paare in getrennten Haushalten, die Neigung zur Heirat ist hier oft geringer.
Der Bedeutungsrückgang von Ehe und der Bedeutungszuwachs von nichtehelichen Eheformen zeigt sich auch in der Zahl nichtehelicher Kinder. 2014 wurde jedes dritte Kind außerhalb der Ehe geboren, das ist mehr als ein Drittel aller Geborenen. Und: Jede dritte Ehe wird geschieden.

1/5 aller Familien erziehen Nachwuchs allein

Auch die Zahl der Alleinerziehenden nimmt unter den Lebensformen zu. Im Jahr 2014 erzogen in rund einem Fünftel aller Familien Mutter oder Vater ihren Nachwuchs allein. 2,2 Millionen Kinder leben derzeit in einem Haushalt mit nur einem Elternteil, das ist ein Anstieg um rund ein Viertel seit 1996.

Jede vierte Akademikerin bleibt kinderlos

Insgesamt zeigt sich in Bezug auf das Kinderkriegen aber auch: Auch die Bedeutung des eigenen Nachwuchses sinkt. Frauen sind bei den Geburten immer älter – der Durchschnitt liegt bei 30,9 Jahren. Von Kinderreichtum kann keine Rede sein: 1,4 Kinder bekommt die Frau in Deutschland im Schnitt. Nicht nur für weniger Kinder, auch für gar keine Kinder entscheiden sich immer mehr Frauen. Letzteres gilt insbesondere für hochqualifizierte Frauen. Jede vierte Akademikerin bleibt kinderlos: Sie haben viel in ihre Ausbildung und Karriere investiert, ihr Beruf ist ihnen wichtig. Aufgrund der Unvereinbarkeit von Beruf und Mutterschaft, gewinnt bei der Entscheidung zwischen diesen beiden häufig der Job. Etwas anders sieht es aus bei Frauen mit mittlerem oder niedrigen Bildungsstand: Hier liegt der Anteil von Frauen ohne Kinder mit jeweils 19 und 17 Prozent etwas niedriger.

74 verschiedene Familienformen: Patchwork- Familien

Zu den zunehmenden Lebensformen gehört die Patchwork-Familie, in der Partner mit einem oder mehreren Kinder aus vorgegangener Beziehung oder Ehe zusammenleben. Rund 14 Prozent aller Familien in Deutschland sind Patchwork-Familien. Da lebt zum Beispiel der Stiefvater mit neuer Partnerin und Kind in einem Haushalt oder die Stiefmutter bringt ins Familienleben ihres Mannes noch ein eigenes Kind mit, hier leben die Kinder permanent dort nur zeitweise im Haushalt oder oder… Die Konstellationen sind vielfältig. 74 verschiedene Formen unterscheiden Familienforscher hier.

10.800 Kinder leben mit homosexuellen Eltern: Regenbogen-Familie

Zuwachs unter den Lebensformen gewinnen auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften und Regenbogen-Familien: Insgesamt gab es 2013 rund 78.000 Paare, die in gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft lebten – gut ein Drittel (34 Prozent) mehr als zehn Jahre zuvor. Davon lebte etwas weniger als die Hälfte (45 Prozent) in einer einge­tragenen Lebens­partnerschaft (35 000 Paare). Seit dem Jahr 2006 hat sich die Zahl der einge­tragenen Lebens­partnerschaften damit fast verdrei­facht.
In mindestens 7.300 Familien mit homosexuellen Eltern leben rund 10.800 Kinder. 5.600 Kinder leben mit Eltern, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben. Bei jedem elften homosexuellen Paar leben Kinder.

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Homosexuelle Paare dürfen nicht gemeinsam adoptieren

Rechtler der homosexuellen Szene kämpfen bis heute um die Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften, um die „Ehe für alle„. Bisher ist für Homosexuelle nur die eingetragene Lebenspartnerschaft möglich, die in vielen Bereichen (Unterhaltsrecht, Güterrecht, Erbrecht, Steuerrecht) der Ehe zwar gleichstellt ist, aber nicht in allen. Nicht ebenbürtig ist sie unter anderem in pucto gemeinsame Adoption. Einer der Partner kann ein Kind allein adoptieren, benötigt dafür aber die Zustimmung des Partners. Bereits vorhandene adoptierte Kinder kann der jeweilige Partner adoptieren (Sukzessivadoption). Auch die „Stiefkindadoption“ ist zugelassen: Das leibliche Kind des jeweiligen Partners zu adoptieren, ist erlaubt.
Außerdem gibt es für die eingetragene Lebenspartnerschaft keinen rechtlichen Verfassungsschutz, den die Ehe nach Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes genießt: Das Recht auf Lebenspartnerschaft für homosexuelle Paare wird vom Gesetzgeber erteilt und kann entsprechend wieder aufgehoben werden.

Gay Pride: Zehntausende gehen für gleiche Rechte auf die Straße

Ob Irland, Niederland, Südafrika, USA – viele Länder haben die gleichgeschlechtliche Ehe rechtlich umgesetzt, während der deutsche Bundestag im Juni diesen Jahres zum elften Mal die Entscheidung darüber aufgeschoben hat. Bei den verschiedenen Gay Pride-Paraden des Christopher Street Days gehen in diesem Monat wieder unzählige Menschen in diversen deutschen Städten auf die Straße, um unter anderem für das Recht auf Ehe zu kämpfen.

Auch in unserem Blog: Erfahren Sie, wie die deutsche Gesellschaft sich wandelt: Eine Studie. Wollen Sie wissen, wie eine junge Amerikanerin die deutsche Kultur erlebt? Auch ein indischer Ingenieur sowie ein spanischer Ingenieur teilen ihre Erfahrungen.

 

 

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