Wir haben mit einem indischen Ingenieur gesprochen, der seit elf Jahren in Deutschland lebt
Vor elf Jahren kam Shyam Machiraju aus Indien für sein Master-Studium nach Hamburg. Heute ist der Inder Ingenieur und Projektleiter in einem internationalen Unternehmen. Hier übernimmt er eine wichtige Rolle: Nicht nur als Fachmann des Ingenieurswesen, sondern auch als Kulturvermittler.
Sobald er seinen Bachelor als Maschinebauingenieur in der Tasche hatte, kam Shyam Machiraju nach Hamburg. Sein Ziel: Ein Master-Studium in Computermaschinenbau. Nach dem erfolgreich abgeschlossenen Studium begann er für ein Flugzeugbauunternehmen zu arbeiten, für das er bis heute tätig ist. Die Firma ist weltweit an verschiedenen Standorten vertreten, von Nordamerika über Europa bis Asien. Ein wichtiger davon: Sein Heimatland Indien. Der 34-jährige ist für die Projekte dort zuständig. Ein klarer Vorteil für seinen Arbeitgeber. „Es gibt große kulturelle Unterschiede. Es ist nicht garantiert, dass ein indischer oder chinesischer Kollege direkt mit einem deutschen Kollegen klarkommt“, weiß auch Machiraju.
Win-win in kultureller Hinsicht
Hier kann er mit seinem interkulturellen Wissen punkten. „Stellt man in Deutschland eine Ja-/Nein-Frage, dann erhält man hier, wenn etwas nicht möglich ist, ein klares ‚Nein.‘ Sobald man ‚Ja‘ gesagt hat, setzt man um, was man bejaht hat.
Indien ist eine sehr höfliche Kultur, Inder sagen sehr selten nein. Aber: In Indien herrscht ein große „Yes, but-Kultur“. Man sagt ‚Ja‘ und danach steht implizit ein ‚aber‘ mit einer langen Liste an Kriterien. Nur wenn alle möglichen Voraussetzungen erfüllt sind, dann ist das ‚Ja‘ gültig. Ich versuche derzeit, meine indischen Kollegen zu erziehen „Ja“ oder „Nein“ zu sagen. Und nicht „Ja“, wenn es „Ja, aber ist“
Der Lernprozess findet allerdings auf beiden Seiten statt: So sollten deutsche Arbeitgeber lernen, mehr Sensibilität für kulturelle Unterschiede aufzubringen. In Indien müsse man mit Kritik sehr vorsichtig umgehen, die deutsche Direktheit könne in den falschen Hals geraten: „Man kann nicht sagen: ‚Das ist falsch, was du gemacht hast, mach das noch mal.‘ Es ist sehr, sehr wichtig, konstruktive Kritik zu üben. Meine Landeskollegen schalten sonst gleich einen Verteidigungsmodus ein“, berichtet der Projektleiter.
Pluspunkt für internationalen Wettbewerb
Entsprechend seiner weltweiten Präsenz ist das Team des Flugzeugbauers in Hamburg international aufgestellt: Spanier, Franzosen, Inder und Chinesen verstärken unter anderem das Unternehmen. Um international wettbewerbsfähig zu sein, sei es für deutsche Unternehmen notwendig, ihre Teams mit ausländischen Fachkräften aufzustellen, die den heimischen Markt kennen.
Recruiting über Personalnetzwerke
Und noch einen Vorteil hat interkulturelles Personal im Unternehmen: Es vereinfacht die Suche nach weiteren qualifizierten Bewerbern aus dem Ausland. Zwar nutze das Unternehmen auch die Möglichkeit, auf internationalen Job-Websites zu inserieren. Doch landen viele neue Kollegen über Referenzen im Unternehmen.
„Ich gebe in meinem indischen Netzwerk weiter, dass wir solch einen Kandidaten suchen. Findet sich so jemand, wird er oder sie eingeladen. Wenn sein Profil und er zur Firma passt, stellen wir ihn ein.“
Fachkräfte welcome!
Wichtig sei, dass die ausländischen Kollegen sich hier zu Hause fühlen, weiß Machiraju aus eigener Erfahrung. Um ihnen den Start zu erleichtern, hilft das Unternehmen ihnen, sich im deutschen Behördendschungel zurechtzufinden. Von der Krankenversicherung bis zum Einwohnermeldeamt –
informiert es, welche Dokumente die neuen Mitarbeiter benötigen und welche Behörde wofür zuständig ist. Auch wenn das Unternehmen ein Hotel für sie bereithält, bis sie eine Wohnung gefunden haben, läuft das unter Indern schon mal anders ab: „Wir sind sehr viele indische Kollegen. Wenn jemand aus Indien kommt, dann ruft er an und fragt: ‚Kannst du mich vom Flughafen abholen, kann ich ein, zwei Tage bei dir übernachten, bis ich eine Wohnung habe?‘ So was ist völlig normal.“ Am Arbeitsplatz erhalten die neuen Mitarbeiter einen Mentoren an ihrer Seite, der sie in ihre Arbeit einweist und alles genau erklärt.
Blue Card statt Greencard
Die ausländischen Mitarbeiter kommen mit einer Blue Card nach Deutschland. Sie erhalten den Aufenthaltstitel für die Dauer ihres Arbeitsverhältnisses, erklärt Machiraju. Auch er selber lebt bis heute mit diesem Titel hier. „Obwohl ich seit vier Jahren Briefe vom Bürgermeister bekomme, dass ich mich einbürgern lassen solle. Aber dann müsste ich meinen indischen Pass abgeben. Und das möchte ich noch nicht.“
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