Klinikum Itzehoe: Ausländische Mitarbeiter gegen den Fachkräftemangel

Ausländische Mitarbeiter

Die ersten Monate waren natürlich die schwierigsten“, sagt der 25-jährige italienische Krankenpfleger Carlo Burcheri. Zwar habe er sechs Monate lang in Italien Deutsch gelernt, bevor er als Mitarbeiter ins Klinikum Itzehoe kam – aber die Fachbegriffe kannte er nicht alle, erklärt der Sizilianer in konversationssicherem Deutsch. „Zum Glück war die Einarbeitung auf der Intensivstation hier im Klinikum sehr gut, wir konnten schon nach sechs Monaten selbstständig arbeiten.“

„Wir“, das sind er und zwei weitere Krankenpflegerinnen aus Italien, die im Mai 2016 nach Deutschland kamen, um im Klinikum Itzehoe zu arbeiten. Sie sind nicht die einzigen. Aus Italien, Tunesien und bald auch aus Rumänien kommen weitere junge Krankenpfleger, die im Itzehoer Krankenhaus die Belegschaft erweitern.
Mit drei verschiedenen Personaldienstleistern haben die stellvertretende Personalleiterin Wienke Petersen und Michael Haack, Pflegebereichsleiter der Intensivstation, zusammengearbeitet, um das Auslandsrecruiting zu erproben und mit ausländischen Mitarbeitern dem zunehmenden Fachkräftemangel zu begegnen. Dabei galt es, bürokratische Hürden des Anerkennungsverfahrens zu meistern und die ausländischen Krankenpfleger in den deutschen Arbeitsalltag zu integrieren.

Deutsche Unternehmen setzen zunehmend auf ausländische Mitarbeiter

Nicht nur das Klinikum Itzehoe, auch immer mehr andere Unternehmen setzen auf ausländisches Personal:
Die Zahl der ausländischen Gesundheits- und Krankenpfleger, die sozialversicherungspflichtig versichert sind, ist laut Pressestelle der Bundesagentur für Arbeit von Juni 2013 bis Juni 2017 von 44.002 auf rund 69.000 gestiegen, also um 57 Prozent. Bezieht man auch die Stellen in der Altenpflege mit ein, dann ist die Zahl der ausländischen Beschäftigten in der Pflege im selben Zeitraum von 75.648 auf 130.272, also um sogar rund 72 Prozent gestiegen.
Hintergrund ist der Fachkräftemangel auf dem deutschen Arbeitsmarkt, der schon heute für viele Betriebe die Sorge Nummer 1 ist und besonders in der deutschen Gesundheits- und Pflegebranche für Personalnot sorgt.

Krankenpflege: Auf 100 offene Stellen kommen 67 Arbeitslose

Die Gesundheits- und Krankenpflegeberufe sind von der Bundesagentur für Arbeit (BA) als Engpassberufe ausgewiesen. Aus ihrer halbjährlichen Fachkräfteengpassanalyse geht hervor, dass Stellen in diesem Bereich im Durchschnitt 146 Tage unbesetzt bleiben (43 Prozent über dem Durchschnitt aller Berufe). Auf 100 bei der BA gemeldete Stellen kommen rechnerisch nur 67 Arbeitslose. Damit hat sich der Engpass zugespitzt: Im Vergleich zum Vorjahr ist die Vakanzzeit um 17 Tage gestiegen, während sich die Arbeitslosen-Stellen-Relation um 2 verringert hat.

„Wir betreiben sehr aktive Personalgewinnung“

Schon heute kommen für einige Berufe kaum noch Bewerbungen im Klinikum Itzehoe an, sagt die stellvertretende Personalleiterin. Die Suche über Jobbörsen oder Tageszeitungen spielt in diesen Fällen eine immer geringere Rolle. Stattdessen wird die Personalgewinnung mithilfe vieler Strategien betrieben: „Wir betreiben sehr aktives Personalmarketing“, so Wienke Petersen. Das Klinikum ist auf den einschlägigen Messen präsent. Es wurde ein Bonusprogramm „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“ eingeführt, über das Mitarbeiter honoriert werden, die erfolgreiche Personalvorschläge machen. Personalwerbung ziert Linienbusse und Bahnhöfe. Und es gibt sehr flexible Arbeitszeitmodelle und eine Kindertagesstätte auf dem Klinikgelände, um Familie und Beruf vereinbar zu machen.

„In Zukunft wird es nicht mehr ohne zusätzliche ausländische Mitarbeiter gehen“

Doch ist dem Personalmanagement klar: „Personalmarketing allein nützt nichts, wenn nicht genug Arbeitskräftepotenzial da ist“, sagt Petersen. „Es gibt einfach nicht genug Gesundheits- und Krankenpfleger.“
Zwar wird an der hauseigenen Schule für Gesundheits- und Krankenpflege/Gesundheits- und Kinderkrankenpflege pflegerischer Nachwuchs ausgebildet. Doch der Fachkräftemangel wird sich in den kommenden Jahren nochmals deutlich zuspitzen, wenn viele langjährige Mitarbeiter in den Ruhestand wechseln. Das Recruiting der ausländischen Mitarbeiter sei ein proaktives Agieren.

 

Ausländische Mitarbeiter
Pflegebereichsleiter der Intensivstation Michael Haack, Krankenpfleger Carlo Burcheri (25) aus Sizilien / Italien und stellvertretende Personalleiterin Wienke Petersen

 

„In Zukunft wird es nicht mehr ohne zusätzliche ausländische Mitarbeiter gehen“, sagt Intensivbereichsleiter Haack.
Also wagten Petersen und Haack den Schritt über die deutschen Grenzen hinaus. Im November 2015 flogen sie nach Italien, um die Kandidaten kennen zu lernen, die gemeinsam mit einer Personalvermittlung ausgewählt worden waren. Einer von ihnen war Carlo Burcheri. Petersen und Haack entschieden sich für ihn und zwei Italienerinnen. Bis sie voll als Krankenpfleger in Itzehoe eingesetzt werden konnten, dauerte es allerdings noch einmal 1,5 Jahre.

Krankenpfleger mit Auslandsqualifikation müssen ihren Abschluss anerkennen lassen

Um den Beruf in Deutschland auszuüben, ist für Krankenpfleger wie Carlo Burcheri mit ausländischer Qualifikation die Anerkennung ihres Abschlusses Voraussetzung. Im Anerkennungsverfahren wird geprüft, ob der ausländische Abschluss mit dem deutschen gleichwertig ist. Außerdem sind für die Anerkennung Deutschkenntnisse auf dem B2-Level des Europäischen Referenzrahmens erforderlich. Als Carlo und seine zwei italienischen Kolleginnen nach Itzehoe kamen, hatten sie einen B1-Abschluss. Bis zur vollen Anerkennung waren sie als Pflegehelfer tätig. „Sie haben 70 % gearbeitet und 30 % die Sprachschule besucht“, erklärt Michael Haack. „So haben sie hier ihren B2-Abschluss gemacht und das Anerkennungsverfahren abgeschlossen. Ab August 2017 konnten sie voll eingesetzt werden.“

Das Klinikum hat Personal in Italien, Tunesien und Rumänien rekrutiert

Weil die Premiere von allen Beteiligten als Erfolg angesehen wurde, geht das Projekt weiter: Fünf Italiener absolvieren gerade in ihrer Heimat einen Deutschkurs, um anschließend das Anerkennungsverfahren zu durchlaufen und im Klinikum Itzehoe tätig zu werden. Auch zwei Rumänen werden bald zur Belegschaft gehören. Zwei Tunesierinnen sind bereits seit einigen Monaten im Team.

Das Engagement des Klinikums geht nach Ankunft der Kollegen weiter

Das Beispiel des Klinikums verdeutlicht: Geduld und Engagement sind im internationalen Recruiting gefragt. Neben den Themen Spracherwerb und Anerkennungsverfahren warten noch weitere Herausforderungen. Neue Mitarbeiter, die aus dem Ausland nach Deutschland ziehen und sich eine Existenz im fremden Land aufbauen, bedürfen der Unterstützung. So stellt das Klinikum Itzehoe ihnen drei bis sechs Monate lang eine Unterkunft zur Verfügung, hilft bei der Anmeldung am Wohnort, bei der Wahl der Krankenversicherung und der Kontoeröffnung. „Wir unterstützen unsere Kollegen bei allem, was in der ersten Zeit notwendig ist“, sagt Petersen.

Auf der anderen Seite sei auch die Vorbereitung der deutschen Belegschaft ein wichtiger Aspekt. „Für unsere Mitarbeiter bedeutet die Einarbeitung ausländischer Kollegen Mehraufwand, weil die sprachliche Barriere eine große Rolle spielt. Sie ist in der Regel langwieriger und aufwändiger als bei neuen deutschen Kollegen“, sagt Haack. Das funktioniere nur, wenn das allen bewusst ist und die Teams das mittragen. Im Klinikum Itzehoe, in dem es seit vielen Jahren selbstverständlich ist, dass Menschen ganz verschiedener Herkunft zusammenarbeiten, hat das wunderbar geklappt. „Die Kollegen geben sich viel Mühe, sie setzen sich sehr ein, damit die Integration gelingt“, freut sich Haack.

Und einen Vorteil bringt der Beruf außerdem mit sich: „Zum Glück ist unsere Arbeit überall auf der Welt gleich“, sagt Carlo. „Auch die Arbeitskultur ist überwiegend ähnlich.“ Ihm gefalle das Leben und seine Arbeit in Deutschland, in naher Zukunft zieht es ihn nicht in sein Heimatland zurück: „Ich will auf jeden Fall erstmal hierbleiben.“

Auch in unserem Blog:
Wolfgang Nickel fehlt Personal für seinen Hotelbetrieb, also holt er Auszubildende aus Indonesien nach Deutschland. Doch weil er mit dem Lehrlingsmangel kein Einzelfall ist, stehen bald schon Unternehmen aus ganz Deutschland bei ihm Schlange: Inzwischen hat Nickel 68 junge Indonesier für eine Ausbildung an deutsche Betriebe vermittelt. 1600 Vermittlungsanfragen hat er von weiteren Betrieben: Indonesische Auszubildende gegen den Lehrlingsmangel? Best Practice.

Auch interessant: Entgegen dem Bangen deutscher Unternehmen kann es durchaus positiv verlaufen, ausländische Arbeitnehmer einzustellen. Das macht unser Employland-Interview mit Michael Fleischmann, Personalleiter bei evopro systems engineering AG, der viel Erfahrung im Auslandsrecruiting hat, deutlich: Ausländische Fachkräfte rekrutieren: Best Practice Auslandsrecruiting am Beispiel von evopro.

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