Obwohl Deutschland will, klappt es nicht: Die außereuropäische Zuwanderung von Fachkräften, auf die die deutsche Wirtschaft aufgrund des Fachkräftemangels angewiesen ist, bleibt trotz geöffnetem Zuwanderunsgrecht verhalten. Insbesondere nicht-akademische, beruflich qualifizierte Arbeitskräfte werden gebraucht: Insbesondere diese kommen nicht. Das sind die Gründe.
Zwar nimmt Deutschland laut OECD-Studie (2014) nach den USA den Platz als zweitbeliebtestes Einwanderungsland ein, doch: Die Zuwanderer kommen überwiegend aus der EU. Drittstaatler, Menschen von außerhalb der EU, finden selten hierher. „Doch das Potential in Europa ist zu niedrig“, sagt Frank Böttcher von der Zentralen Auslandsvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit. Deshalb sei die nicht-europäische Arbeitsmigration so wichtig.
Trotz liberaler Rechtslage viele Probleme
Deutschland gehöre zu den liberalsten Ländern der Welt im Zuwanderungsrecht zur Arbeitsmigration, sagt Dr. Holger Kolb vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration. Für beruflich Qualifizierte gilt für den Arbeitsmarktzugang eine relativ neue Regelung: Sie können in Deutschland in einem Beruf arbeiten, der von der Bundesagentur für Arbeit als Mangelberuf auf der Positivliste ausgewiesen ist. Voraussetzung: Die Gleichwertigkeit der ausländischen mit der deutschen Qualifikation. Für die Gleichwertigkeitsprüfung können ausländische Fachkräfte im In- oder vom Ausland aus ein Anerkennungsverfahren beantragen. „Der rechtliche Motor ist leistungsstark,“ sagt Kolb. Um diesen nutzen zu können, komme es darauf an, wie er mit Getriebe, Karosserie usw. harmoniere. „An vielen Stellen haben wir Probleme.“
1. Deutschland braucht Vermarktung
Dass sie ausländische Fachkräfte aktiv rein hole, sei neu für die Bundesagentur für Arbeit, sagt Frank Böttcher von der ZAV. „Vor 5 Jahren hätte man uns den Vogel gezeigt.“ Weder im Ausland noch im Inland seien die neuen Möglichkeiten bekannt. „Wenn man Arbeitgebern sagt, sie sollen ausländische Fachkräfte beschäftigen, dann schaut man in große Augen.“
Dr. Holger Kolb vom Sachverständigenrat spricht zwar von einem Paradigmenwechsel. Doch sagt er auch: „Entscheidender politischer Akteur sind die Auslandsvertretungen. Nicht in allen ist bekannt, dass ein neuer liberaler Geist im Zuwanderungsrecht herrscht, das Arbeitsmigration fördern will.“ Was Deutschland brauche, so Böttcher, sei Vermarktung.
2. Deutschland ist zu kompliziert
„Wir sind viel zu kompliziert in Deutschland“, sagt Markus Lötzsch, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nürnberg. Es gebe zu viel Ansprechpartner, keinen Überblick, vor allem, wenn es um die Anerkennung der Qualifikation geht. Das sieht auch Frank Böttcher von der ZAV der Bundesagentur für Arbeit so: „Auf viele macht das Anerkennungsverfahren einen komplizierten Eindruck.“ Wer ist zuständig? Was kostet es? Wie lange dauert es? Es seien immer wieder die gleichen Fragen. „Was Bewerber und Arbeitgeber in diesen Verfahren erleben , geht manchmal an die Grenzen des Verstandes,“ so Böttcher. Diese Komplexität müsse durch eine zentrale, mehrsprachige Anerkennungsstelle reduziert werden.
3. Deutschland ist zu formalisiert
Auch das deutsche Berufsbildungssystem sei zu kompliziert, sagt Böttcher. Zwei Herzen habe er in seiner Brust: „Wir haben ein wirklich tolles Berufsbildungssystem in Deutschland, das auch andere Länder zu kopieren versuchen.“ Aber: Ein bisschen mehr Flexibilität sei notwendig.
Dr. Holger Kolb vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration: „Der deutsche Arbeitsmarkt ist stark formalisiert und standardisiert.“ Das sei gut für Verbraucherschutz und Arbeitsschutz – Arbeitsmarktpolitisch sei das eine große Herausforderung.
Für akademische Bereiche sei es wegen der internationalen Abschlüsse Bachelor und Master ein geringeres Problem. Schwierig sei es für ausländische Fachkräfte.
Und Böttcher (ZAV) merkt an: Wenn unser System einem Interessierten zu kompliziert und es in Schweden leichter und verständlicher sei, dann ginge er nach Schweden.
„Wir stehen als Rekrutierer nicht als alleiniger Player da, sondern stehen in starkem Wettbewerb.“
4. Die deutsche Sprache ist ein Nachteil
Nicht zuletzt stelle die deutsche Sprache ein Hindernis für ausländische Fachkräfte dar. Von einer „Sprachhochnäsigkeit deutscher Unternehmen“ spricht Dr. Kolb vom Sachverständigenrat. „Sie stellen Personen nicht ein, weil ihre Deutschkenntnisse nicht ausreichten – selbst bei technischen Berufen, in denen die Sprache nicht wichtig ist.“ Deutsche Unternehmen seien aufgefordert, flexibler zu sein, sagt Kolb.
Nicht anders liest es sich im Magazin der IHK München:
„Deutsch ist gerade in südlichen Ländern eine kaum beachtete Sprache, Großbritannien bei der Anwerbung von ausländischen Fachkräften daher klar im Vorteil,“ sagt Marcos Bruguera Reinhold, Inhaber der Personalberatung HiDeCo e.K. in München dem Magazin. Und die ZAV-Direktorin Monika Varnhagen bestätigt hier, dass Vermittlungserfolge beispielsweise der BA im Gesundheitswesen zeigen, dass die Personalsuche deutscher Unternehmen durchaus erfolgreich verlaufen könne, „sofern die Arbeitgeber Kompromisse bei den Deutschkenntnissen eingehen.“. Und weiter sagt Bruguera: „Wir haben viele hochqualifizierte Kandidaten, die hervorragend Englisch sprechen und ihr auf mittlerem Niveau befindliches Deutsch laufend verbessern. Firmenchefs sollten diesen eine Chance geben.“ Man könne unter anderem die Pflicht des Mitarbeiters, sein Deutsch in Sprachkursen zu perfektionieren, sogar im Arbeitsvertrag verankern.
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