430.000 freie Stellen gab es Ende April 2017 im MINT-Bereich – eine Rekordlücke. Das geht aus dem MINT-Frühjahrsreport des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hervor. Ohne die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland wäre der Fachkräftemangel wesentlich größer.
430.000 Stellen in MINT-Berufen waren Ende April 2017 in Deutschland unbesetzt. Im Vergleich zum Vorjahr waren das 49.600 (13 Prozent) mehr Stellen. Berücksichtigt man den qualifikatorische Mismatch, bleibt eine Arbeitskräftelücke von 237.500 Personen. Wären nicht so viele ausländische Arbeitnehmer im MINT-Bereich beschäftigt, wäre die Lücke deutlich größer und zwar läge sie bei 338.000.
Wie viele ausländische MINT-Kräfte sind in Deutschland tätig?
Mehr als 1,6 Millionen Fachkräfte aus dem Ausland arbeiten derzeit in den Berufen der Mathematiker, Informatiker, Naturwissenschaftler und Techniker (MINT) – in sogenannten Engpassberufen – und tragen in einem erheblichen Umfang zur Fachkräftesicherung in der MINT-Branche in Deutschland bei. Die Beschäftigungsdynamik ausländischer MINT-Kräfte lag zwischen 2012 bis 2016 im Vergleich zu ihren deutschen Pendants um ein Vielfaches höher: bei den MINT-Experten mehr als dreimal, bei MINT-Spezialisten mehr als sechsmal und bei MINT-Facharbeitern sogar 15 mal so hoch!
Zuwanderer tragen überproportionalen Anteil zur Fächkräftesicherung bei
Das Beschäftigungswachstum im MINT-Segment in Höhe von 5,6 Prozent ist zu großen Teilen ausländischen Fachkräften zu verdanken, deren weit überproportionaler Anteil zur Fächkräftesicherung im MINT-Bereich vom Elektriker bis zum Ingenieur reicht.
Während die Beschäftigung deutscher Arbeitnehmer von 2012 bis bis 2016 um gerade einmal 4,1 Prozent stieg, stieg die Beschäftigung ausländischer MINT-Kräfte um 27,2 Prozent und damit siebenmal so stark. In akdemischen MINT-Berufen
Ohne ausländische MINT-Kräfte wäre die Fachkräftelücke deutlich höher
„Wäre die MINT-Beschäftigung der Ausländer … nur in der Dynamik gestiegen wie die MINT-Beschäftigung der Deutschen, würden zusätzlich rund 100.200 MINT-Beschäftigte in Deutschland fehlen“, schreiben die Autoren des Berichts: „Die höhere MINT-Beschäftigungsdynamik unter Zuwanderern hat also allein in den letzten Jahren zu einem Fachkräftesicherungsbeitrag von 100.200 MINT-Beschäftigten geführt – ohne diesen Erfolg wäre die Fachkräftelücke deutlich größer.“
MINT-Akademiker aus dem Ausland
Die Zahl der erwerbstätigen zugewanderten MINT-Akademiker lag im Jahr 2014 bei 435.000. Ihr Anteil an allen erwerbstätigen MINT-Kräften ist im Zeitraum von 2011 bis 2014 von 14,3 auf 16,6 Prozent gestiegen.
Berufliche qualifizierte MINT-Fachkräfte aus dem Ausland
1.186.500 zugewanderte Fachkräfte mit Berufsausbildung arbeiteten im Jahr 2014 im MINT-Bereich. Ihr Anteil an allen erwerbstätigen MINT-Fachkräften ist von 2011 bis 2014 von 11,9 auf auf 13,0 Prozent gestiegen.
Wertschöpfungsbeitrag von 161 Milliarden Euro
Im Ganzen trugen die zugewanderten MINT-Kräfte zu einem Wertschöpfungsbeitrag im Jahr 2016 in Höhe von 161 Milliarden Euro bei.
Herkunftsländer der zugewanderten MINT-Beschäftigten
An der Spitze der Beschäftigungsdynamik liegen nach einer zuerst zögerlichen Entwicklung inzwischen MINT-Beschäftigte aus den Flüchtlingsländern Afghanistan, Eritrea, Irak und Syrien – mit einem Beschäftigungswachstum von 197 Prozent. Im dritten Quartal 2016 waren 8.042 Menschen aus diesen Ländern im MINT-Segment beschäftigt – mehr als aus Dänemark, Finnland, Island, Norwegen, Schweden, der Schweiz und Iran zusammen.
Inder stellen die häufigste Nationalität unter ausländischen MINT-Akademikern in Deutschland
Ebenfalls stark gestiegen ist die Beschäftigung von MINT-Kräften aus Rumänien (um 176 Prozent) und Bulgarien (130 Prozent). Insgesamt sind mittel- und südosteuropäische Länder eine besonders wichtige Ursprungsregion für MINT-Zuwanderung wie z.B. Polen mit einem Beschäftigungswachstum um 96 Prozent. Auch Spanien mit einem Wachstum um 40 Prozent sticht hervor.
Unter Nicht-EU-Ländern ist Indien weit vorn mit einem MINT-Beschäftigungswachstum in Deutschland um 86 Prozent und stellt mit 7000 (Stichtag: 30.09.2016) die häufigste Nationalität in den Expertenberufen im MINT-Bereich. Auf den folgenden Plätzen sind Italiener (6.600), Franzosen (knapp 6.600), Spanier (rund 6.100) und Chinesen (5.500).
Fazit: Qualifizierte Zuwanderung stärken
„Die demografische Entwicklung in Deutschland, konkret der kontinuierliche Bevölkerungsrückgang in den jüngeren Alterskohorten, führt dazu, dass Zuwanderung als Instrument zur Fachkräftesicherung in Deutschland zunehmend an Bedeutung gewinnt“, heißt es in dem MINT-Report.
So kommt der MINT-Report zum Schluss, dass neben zwei weiteren zu ergreifenden Maßnahmen auch die Stärkung der qualifizierten Zuwanderung zentral sei.
Das empfiehlt der MINT-Report:
1. MINT-Bildung stärken
Die MINT-Bildung in Deutschland müsse gestärkt werden, indem an Schulen MINT-Profile intensiviert würden. MINT-Profile wirkten sich positiv auf die naturwissenschaftlichen Kompetenzen der Schüler aus. Dadurch könne die Ausbildungsreife gerade auch für technische Berufe gestärkt werden. Außerdem:
Die Berufs- und Studienorientierung müsse intensiviert werden. Das Ausbildungsstellenangebot der Unternehmen sei gerade in den Engpassberufen in den letzten Jahren deutlich gestiegen, während die Nachfrage der Auszubildenden im Vergleich dazu weniger elastisch auf Arbeitsmarktsignale reagiere. Laut IW Köln sollten die attraktiven Perspektiven der beruflichen MINT-Bildung aufgezeigt werden.
2. Potenziale von Flüchtlingen entwickeln
Die Potenziale der Flüchtlinge seien durch eine gestärkte Infrastruktur zur Förderung zu entwickeln, dabei müsse vor allem die Hürde mangelnder Sprach- und Fachkenntnisse überwunden werden. Außerdem sollten Flüchtlinge für die Ausbildung gewonnen werden.
3. Die Zuwanderung von MINT-Kräften stärken
Bisher ist der Erhalt einer Aufenthalts- und Beschäftigungserlaubnis für Zuwanderer nur dann möglich, wenn ein Arbeitsplatz oder Arbeitsplatzangebot nachgewiesen wird. Hingegen müsse die „potenzialorientierte Zuwanderung“ gestärkt werden – und zwar durch die Verbesserung der vorhandenen Regelungen für Hochschulabsolventen und Akademiker. Das heißt, die Suchzeiten für einen Arbeitsplatz in Deutschland müssten ausgedehnt werden. Auch die Regelungen zur Potenzialzuwanderung für Facharbeiter sei zu erleichtern, um die vor allem steigenden Engpässe in MINT-Ausbildungsberufen zu mildern. Der Report beruft sich auf die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), die eine „Talent Card“ vorschlägt.
Außerdem müssten die Kapazitäten zur Zuwanderung über die Hochschulen ausgebaut werden: „Die Zuwanderung über die Hochschulen stellt einen Königsweg der Zuwanderung dar“. Internationale Studierende an deutschen Unis stammen oft aus demografiestarken Drittstaaten, die daher strategisch interessant seien. Sie studierten auch deutlich öfter ein MINT-Fach und ihnen gelinge der Berufseinstieg in der Regel erfolgreich, während sie darüber hinaus häufig in Engpassberufen arbeiteten.
Auch in unserem Blog: Der Fachkräftemangel sorgt für Superlative. In Deutschland gibt es so viele offene Stellen, wie nie zuvor. Im ersten Quartal 2017 waren bundesweit 1,064 Millionen Stellen auf dem deutschen Arbeitsmarkt unbesetzt. Das geht aus der IAB-Stellenerhebung hervor, einer repräsentativen Betriebsbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Der Zuwanderung von Fachkräften komme eine besondere Bedeutung zu, um langfristig das Erwerbspersonenpotenzial zu sichern.
Lesen Sie auch: Bereits heute setzt die deutsche Wirtschaft auf ausländische Mitarbeiter: Jeder zehnte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ist Ausländer. Eine Umfrage von KfW Research ergab, in den kommenden Jahren wollen mittelständische Arbeitgeber in Deutschland noch stärker Mitarbeiter im Ausland rekrutieren.
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