Vereine: Gemeinsam statt einsam

Nichtstun in der Freizeit ist Deutschen irgendwie suspekt. „Müßiggang ist aller Laster Anfang“ mahnt ein deutsches Sprichwort. Rund 600 000 Vereine sind derzeit registriert, fast die Hälfte der Deutschen sind nach eigenen Angaben Mitglied in einem Verein.

Für nahezu jedes Hobby gibt es heute ein passendes Vereinsdach. Brieftaubenzüchter und Forellenfischer, Kronkorkensammler, Modelleisenbahnbauer und Dackelbesitzer, sie alle suchen und finden sich mit Gleichgesinnten zusammen. Treffen sich drei Deutsche, gründen sie einen Verein – der alte Witz ist also gar nicht so übertrieben.

Auch Zuwanderer in Vereinen engagiert

Vereine haben hierzulande aber auch eine wichtige soziale und politische Funktion, sie „produzieren den gesellschaftlichen Kitt“, so DOSB Vizepräsident Walter Schneeloch. Vereine verbinden dabei Deutsche mit und ohne Migrationshintergrund. Nach einer Studie der Konrad Adenauer Stiftung ist jeder vierte Zuwanderer Mitglied in einem Verein. Dass Sport zu den beliebtesten Vereinsarten zählt, verwundert kaum. 91.000 Sportvereine mit knapp 28 Millionen Mitgliedern gibt es derzeit in Deutschland.

Fußball und Turnen besonders beliebt

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Für fast jedes Hobby gibt es in Deutschland einen Verein, egal, ob Modelleisenbauer oder Sportler: Gleichgesinnte schließen sich zusammen

Nicht nur vor dem Fernseher sind die Deutschen im Fußballfieber. Auch im Verein dreht sich alles um das runde Leder. Über 6,8 Millionen Deutsche kicken im Verein, der Deutsche Fußballbund ist damit nicht nur stärkste Sportverband im Land, sondern auch der weltweit größte. Vor allem Frauen begeistern sich aber auch für die Sportart, mit der die Erfolgsgeschichte der Sportvereine seinerzeit begann: das Turnen. 5 Millionen Mitglieder zählt der Deutsche Turner-Bund, gefolgt vom Deutschen Tennis-Bund mit 1,5 Millionen Mitgliedern und dem Schützenbund (1,4 Millionen).

Neue Vereinstypen entstehen

Vereinswesen hat hierzulande Tradition. Schon im 18. Jahrhundert etablierte sich das deutsche Vereinswesen. Das Allgemeine Preußische Landrecht von 1794 erlaubte den Untertanen Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. Im Verein diskutierten Adel, Bürger und Beamten über Politik und Kultur, fanden sich zu „Lesegesellschaften“ und „Sprachgemeinschaften“ zusammen. Mit der Industrialisierung und dem Anwachsen der Städte gewannen Vereine weiter an Relevanz. Krisen, Trends und nicht zuletzt die Politik haben besonders in den letzten Jahrzehnten immer neue Vereinstypen entstehen lassen. Bürgerinitiativen und Selbsthilfegruppen organisieren sich in Vereinen, Frauen-, Umwelt-, Friedens- und Kulturinitiativen haben sich als gemeinnützige Vereine etabliert.

Vereinsgründungen boomen

Mittlerweile ist die besondere Bedeutung von Vereinen auch wissenschaftlich belegt. Vereine fördern die Geselligkeit, stärken gemeinsame Wertvorstellungen und stiften Identität. Im Verein spielen Altersunterschiede oder berufliche und soziale Stellungen eine eher untergeordnete Rolle. Das gemeinsame Interesse verbindet die Mitglieder über gesellschaftliche Schranken hinweg. Der Verein ist außerdem die erste Anlaufstelle, um Kontakte zu knüpfen, er ist Umschlagplatz für Klatsch und Tratsch und eine vergleichsweise kostengünstige Möglichkeit, sich in einer Gruppe sportlich oder gesellschaftlich zu betätigen. Viele gute Gründe, sich einem Verein anzuschließen. Dafür spricht zumindest die wachsende Zahl der Vereinsgründungen: Siebenmal so viele wie vor 50 Jahren gibt es mittlerweile. Das Klischee vom spießigen Kleinbürgerverein ist also längst überholt.

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