Am 6. Juli ist Tag des Kusses. In vielen Kulturen gilt der Kuss als Ausdruck von Freundschaft und Liebe. Andere Länder, andere Küsse – in Deutschland ist Knutschen in der U-Bahn oder im Kino erlaubt, in Osteuropa hauchen Männer Frauen auch heute noch einen Kuss auf den Handrücken. Wie groß die Unterschiede wirklich sind, erfahren Sie im Interview mit Olga Borys aus der Ukraine.
Employland: Olga, Du bist vor vier Jahren aus der Ukraine nach Deutschland gekommen. Deutsche gelten im Vergleich zu Franzosen und Italienern eher als Kussmuffel. Gilt das auch für ihr Flirtverhalten?
Olga Borys: Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich mich gefreut habe, wenn Männer Blickkontakt zu mir aufgenommen haben. Und dann fängt man an zu spielen, mal wegzuschauen und dann wieder hin. Beim ersten Mann, mit dem das so lief, habe ich mir auch nichts dabei gedacht, als er mich nicht ansprach. Doch dann habe ich angefangen mich zu wundern. In der Ukraine ist es ganz normal, dass Männer Frauen nach ihrer Telefonnummer fragen, oder ob sie einen Kaffee trinken wollen. Das gilt nicht als aufdringlich und ist auch keine Einladung zum Sex. Hier sprechen Männer selten Frauen an. Zumindest nicht auf der Straße.
Employland: Flirten deutsche Männer generell anders?
Olga Borys: Nein, das würde ich nicht sagen. Hier knistert es auch zwischen Männern und Frauen und man kommt sich auch ähnlich näher. Ich habe aber den Eindruck, dass sich Männer weniger Mühe geben. In meinem Heimatland ist es selbstverständlich, Frauen zu einem „Date“ abzuholen und vor allem auch wieder nach Hause zu bringen. Vielleicht nicht bei der ersten oder zweiten Verabredung, aber wenn man aneinander interessiert ist, dann gehört das dazu. Hier vereinbart man eher einen Treffpunkt, zu dem beide getrennt kommen und auch wieder gehen. Das ist für mich immer noch sehr merkwürdig.
Employland: Was irritiert Dich noch?
Olga Borys: Männer haben in Deutschland irgendwie eine andere Art mit Frauen umzugehen. Kleine Aufmerksamkeiten oder mal Blumen habe ich hier selten erlebt. Und wenn ich einen Arzttermin brauche, dann gibt mein Freund mir die Telefonnummer seines langjährigen Arztes. Er ruft nicht dort an, vereinbart keinen Termin und begleitet mich auch nicht dahin. Überhaupt sagen Männer häufig, „Du schaffst das schon“ – und kümmern sich dann um sich selbst. In der Ukraine bekommen Frauen dagegen sogar noch Handküsse.
Employland: Und die Frauen? Dem Feminismus haben Frauen in Deutschland viel zu verdanken. Weibliche Vorgesetzte gehören heute ebenso zum Berufsalltag wie Frauen, die Kinder und Karriere miteinander verbinden. Hat die Gleichberechtigung in Deinen Augen auch das Flirten verändert?
Olga Borys: Nein, nicht so sehr das Flirten, aber schon das Auftreten. Frauen sind unaufgeregter und weniger darauf bedacht, sich zurecht zu machen. Ich würde nicht mit Turnschuhen und Sweatjacke zu einem „Date“ gehen. In Deutschland legen Frauen nicht so viel wert auf das Äußere und Männer machen nach meiner Erfahrung seltener Komplimente. Das finde ich schade. Wenn Frauen durch die Gleichberechtigung so stark sein müssen oder wollen, wie Männer, dann scheinen sie sich automatisch auch mehr um sich selber kümmern zu müssen. Und das hat auch Auswirkungen auf die Beziehung zwischen Männern und Frauen.
Employland: Klingt ernüchternd. Sind Deutsche nicht leidenschaftlich genug?
Olga Borys: Naja, es fehlt Ihnen vielleicht bei aller Gleichberechtigung ein wenig Mut, auch mal wieder klassisch männlich oder weiblich zu sein. Das heißt ja nicht, dass sie nichts von der Liebe verstehen…
Auch in unserem Blog: Surprises in Germany: An American’s Findings und Die neuen Deutschen – Studie zum Wandel der Gesellschaft.