SERIE: Kulturstandards & Arbeitswelt – 6 Tipps im Umgang mit Deutschen

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Der bewusste Umgang mit Kulturstandards ist wichtig für die erfolgreiche internationale Zusammenarbeit, so die interkulturelle Trainerin und Autorin Dr. Sylvia Schroll-Machl. In diesem Gastbeitrag unserer Serie gibt sie internationalen Mitarbeitern Tipps für den Umgang mit Chef und Kollegen in der deutschen Arbeitswelt.

1. Bereiten Sie Ihr Anliegen sachlich auf

Gehen Sie davon aus, dass Sie im beruflichen Kontakt Deutsche vorwiegend betont sachorientiert erleben. Erwarten Sie nichts anderes, das erspart Ihnen Enttäuschung. Wenn Sie also Deutsche von etwas überzeugen oder für etwas gewinnen wollen, dann bereiten Sie Ihr Anliegen sachlich auf. Überlegen Sie sich Argumente, geben Sie Ihrer Darstellung einen logischen Faden, untermauern Sie Ihre Überlegungen mit Fakten. Dann hören Deutsche Ihnen wirklich zu, treten in ein Gespräch mit Ihnen ein und beginnen, Sie als Partner zu schätzen. Subjektive Meinungen oder Einschätzungen wirken auf Deutsche unprofessionell.

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Bereiten Sie Ihr Anliegen sachlich auf Foto: shirosonov / Istockphoto.com

Gehen Sie aber auch nicht davon aus, dass diese Sachorientierung alles ist, was Deutsche kennzeichnet. Machen Sie sich bewusst, dass Deutsche über die Sache Beziehungen stiften. Nutzen Sie die Brücken, die sich Ihnen zur Kontaktanbahnung mit deutschen Kollegen bieten, auch wenn sie sachbezogen sind: Bitten Sie um Unterstützung beim Kauf eines Autos oder technischer Geräte (deutsche Männer sind hier oft Hobby-Experten), besprechen Sie Ihre Reiseplanungen in Europa und erzählen Sie von interessanten Reisezielen in Ihrem Land (Deutsche lieben Reisen) oder erörtern Sie Freizeitmöglichkeiten (jeder hat ein Hobby, irgend etwas gefällt Ihnen bestimmt).

2. Nehmen Sie Strukturen und Regeln ernst

Wittern Sie hinter Strukturen, Normen und Regeln Deutscher nicht gleich Gängelei. Normen und das Pochen auf ihre Einhaltung sind nicht gegen Sie gerichtet! Sie sind schlicht die Art und Weise, wie Deutsche zu einem Großteil Professionalität definieren. Machen Sie sich auch den sozialen Aspekt bewusst. Dann wirkt manches Verhalten nicht mehr nur hart und stur, sondern erhält auch eine “menschliche” Note: Das Leben soll klar, nachvollziehbar, gerecht, redlich organisiert werden. Wenden Sie sich bei Problemen an Ihren Chef. Deutsche sehen die Suche um Hilfe an dieser Stelle nicht als Schwäche oder Untergraben der Autorität des Chefs an, sondern als Zeichen, die Aufgabe erfüllen zu wollen!

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Vereinbarungen, Absprachen, Zusagen gelten für Deutsche als verbindlich Foto: g-stockstudio / Istockphoto.com

Treffen Sie keine Absprachen und machen Sie keine Pläne aus Freundlichkeit, außer Sie sind sich absolut sicher, dass Sie diese Absprachen auch einhalten können und wollen! Vereinbarungen, Absprachen, Zusagen gelten für Deutsche als verbindlich. Wenn Sie Ihre Absprache nicht einhalten, weil Sie sie nicht wirklich ernst genommen, sondern nur zur Beruhigung der anderen eingegangen sind, dann verschlimmern Sie die Situation. Sagen Sie deshalb Bescheid, wenn etwas nicht wie vereinbart funktioniert! Nur dann haben die Deutschen eine Chance zu reagieren und sich einen anderen Weg der Zielerreichung zu überlegen. Außerdem vermeiden Sie so den großen Knall, der am Ende folgt, wenn das Ziel nicht erreicht wird.

 3. Vereinbaren Sie Termine

Vereinbaren Sie einen Termin, wenn Sie etwas besprechen möchten. Wenn Sie Deutsche spontan ansprechen laufen Sie Gefahr, entweder als Störenfried empfunden oder kurz abgefertigt zu werden. Als Terminabsprache kann bereits genügen: “Ich möchte mit Ihnen diese Angelegenheit besprechen. Geht das jetzt oder besser zu einem anderen Zeitpunkt? Wenn nein, wann?” Richten Sie sich darauf ein, dass Ihnen die ungeteilte Aufmerksamkeit eines Deutschen gehört, wenn Sie endlich mit ihm einen “Termin” haben. Jetzt hat er für Sie Zeit. Und jetzt wäre es beleidigend und unhöflich, wenn er sich parallel etwas anderem widmen würde.

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Informieren Sie sie (so bald wie möglich) über Verspätungen Foto: Sascha Reiterer / Istockphoto.com

Halten Sie sich an Uhrzeiten, die Sie mit Deutschen vereinbaren und informieren Sie sie (so bald wie möglich) über Verspätungen. Termine auf die leichte Schulter zu nehmen, ist unakzeptabel und führt zu Konflikten. Nehmen Sie Tagesordnungen ernst und sorgen Sie dafür, dass Ihre Themen und Ihre Anliegen aufgenommen werden. Rechnen Sie damit, dass Deutsche einmal getroffene Entscheidungen nicht so schnell wieder ändern. Bringen Sie daher Ihre Ideen und Vorschläge in die Planung ein. Und erwarten Sie von Deutschen keine Flexibilität. Sie werden die Dinge der Reihe nach erledigen und Ihnen des öfteren sagen: “Jetzt mal langsam. Eins nach dem anderen.“

4. Ergreifen Sie die Initiative

Rechnen Sie damit, dass es länger dauert, bis Sie mit einem Deutschen näheren Kontakt aufnehmen können. Er muss erst warm werden. Sie können sich sicher sein, dass diese Zeitspanne nicht Ihnen persönlich gilt! Höchstwahrscheinlich liegen Sie in dem Fall richtig mit der Annahme, dass jemand sich nur korrekt verhalten möchte: beruflich verlässlich (Arbeit), sach- und zielorientiert (rational), seine Aufgabe ernst nehmend (Rolle), Strukturen einhaltend (formell). Und seien Sie bitte so lange vorsichtig mit persönlichen Fragen.

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Deutsche sind in ihrer Freizeit ungezwungener Foto: Monkey Business Images / Istockphoto.com

Ergreifen Sie die Initiative zu Kontakten, vor allem dann, wenn Sie in Deutschland leben. Es ist kein böser Wille, sondern schlicht eine Tatsache, dass Ihre Kollegen über ein Beziehungsnetz verfügen und deshalb weniger Interesse an neuen Kontakten haben als Sie. Schließen Sie sich am besten einem Freizeitzirkel an, denn hier ist die Barriere am niedrigsten. Wenn Sie Ihrerseits gemeinsame Veranstaltungen (z. B. mit Landsleuten) organisieren, laden Sie dazu auch Ihre deutschen Kollegen bewusst und nachdrücklich ein. Hier lassen sich Beziehungen installieren. Denn die Deutschen, die kommen, tun das in ihrer Freizeit und sind allein dadurch schon offener und ungezwungener.

5. Sagen Sie klar, was Sie wollen

Äußern Sie Ihre Bedürfnisse, Wünsche, Anliegen, Meinungen bitte mit Worten! Ein Deutscher hat keine Ahnung, dass es auch andere Wege der Informationsmitteilung gibt. Er wird Sie deshalb nicht verstehen, wenn Sie andere Signale setzen. – Und das, was Sie sagen, formulieren Sie bitte direkt. Wenn Sie sich missverstanden fühlen, vergegenwärtigen Sie sich einmal, was Sie dem Deutschen ausdrücklich und in klaren Worten gesagt haben. Alles andere weiß er nicht, denn er hat es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht wahrgenommen, er wird es nicht erraten.

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Dr. Sylvia Schroll-Machl ist die Autorin des Buches „Die Deutschen – Wir Deutsche. Fremdwahrnehmung und Selbstsicht im Berufsleben“

Suchen Sie nicht eine zusätzliche Interpretation dessen, was die Deutschen sagen. Die Deutschen sagen, was sie mitteilen wollen – nicht mehr und nicht weniger. Antworten Sie bitte deshalb auch auf die Fragen, nicht auf den vermutlichen Hintergrund der Frage. Sagen Sie klar, was Sie wollen oder brauchen. Sagen Sie das nicht zurückhaltend oder höflich. Sagen Sie auch klar “nein”, wenn Sie etwas nicht wollen. Und erläutern Sie, was genau Sie warum nicht wollen. Das wirkt dann überzeugend, klar und professionell. Ein höflich gemeintes “vielleicht” kann sehr viel irreführender sein als ein klares Nein und Ihnen später Probleme bereiten. Widerspruch ist in deutschen Augen keine Kriegsstrategie, sondern eine Chance zur Diskussion des Problems. Wenn Sie etwas sprachlich nicht verstanden haben, fragen Sie bitte nach. Die deutsche Art direkt zu sein lässt das problemlos zu. 

6. Knüpfen Sie Kontakte mit Gleichgesinnten

Rechnen Sie damit, dass Ihre deutschen Kollegen viel weniger mit ihrer weiteren Familie zu tun haben als Sie mit Ihrer in Ihrem Land. Diesbezügliche Verpflichtungen sind unüblich, und man wird Sie nicht verstehen, wenn Sie Ihrerseits solche Argumente ins Feld führen. Wenn Sie dennoch derartige, meist recht zeitaufwendige Verpflichtungen haben, dann erklären Sie den Deutschen bitte genau, was Sie zu tun haben und inwiefern das in Ihrer Kultur üblich ist.

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Rechnen Sie damit, dass Ihre deutschen Kollegen weniger mit ihrer Familie zu tun haben als Sie Foto: Monkey Business Images / Dreamstime.com

Im Privatleben haben Deutsche häufiger Beziehungen auf gleicher gesellschaftlicher Ebene als auf anderen gesellschaftlichen Ebene. Das meint: Beziehungen zu Partnern, Freunden, Kollegen gibt man gegenüber hierarchischen Beziehungen den Vorzug und sie sind auch meistens persönlicher, menschlich wärmer als die Beziehungen über hierarchische Stufen hinweg, die eher distanzierter und sachlicher sind. Suchen auch Sie sich hier Ihre Kontakte. Und seien Sie bitte nicht enttäuscht, wenn man Ihren Status mitunter missachtet: Er wird einfach nicht für so wichtig erachtet – im Beruf kann er hinter die Sache an die zweite Stelle treten, im Privatleben ist man vorsätzlich um Beziehung auf gleicher Ebene bemüht.

Ein Beitrag unserer Gast-Autorin Sylvia Schroll Machl.

Wichtig: Bei den beschriebenen Charakteristika handelt es sich notwendigerweise um Generalisierungen. „Sie erheben nicht den Anspruch, Individuen zu beschreiben. Die Individuen einer Kultur zeigen gehäuft Verhaltensweisen, die in der anderen Kultur in dieser Häufigkeit nicht beobachtet werden. Typisierungen sind immer ein wichtiges Instrument der Erkenntnis und der Orientierung, und das paradoxerweise umso mehr, je komplexer die Wirklichkeit ist, was für unsere multikulturelle Arbeitswelt nun tatsächlich zutrifft,“ sagt Dr. Sylvia Schroll-Machl und erläutert diesen Aspekt ausführlicher im Interview mit Employland.

Lesen Sie auch in unserer Serie: „Kulturstandards – diese Tugenden sind trügerisch.“

Auch in unserem Blog:  Über interkulturelle Unterschiede sprach ein spanischer Ingenieur in Deutschland mit uns. Lesen Sie auch,über den Start des PuMa-Projektes für qualifizierte Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten.

Beitragsbild: Rawpixel / Istockphoto.com

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