Handwerk zum Ausprobieren für junge Flüchtlinge

Handwerk Fluechtlinge

Einblicke in einen Praxiskurs für junge Flüchtlinge im Bildungszentrum Metall Hamburg (BZM).

„Schon mal mit Werkzeug gearbeitet? Nein? Das macht nichts“, sagt die blonde Frau, die die jungen Flüchtlinge an die Metallarbeit heranführt. „Das hier ist eine Säge und wisst ihr, was das ist?“, fragt sie dann und hält ein schmales Werkzeug in die Luft. „Eine Feile“, ruft ein junger Schüler aus Eritrea. „Sehr gut“, wird er gelobt. „Und warum habe ich hier fünf davon?“ „Weil die alle anders sind“, ruft ein weiterer der jungen „Handwerker“. Und bald schon ratscht und quietscht es. Acht Schüler und eine Schülerin aus Syrien, Eritrea, Bulgarien und Griechenland stehen um den Werktisch im BZM Hamburg über ein in einem Schraubstock eingespanntes Blech aus Aluminium und werkeln sich ein Herz.

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Heisem (18) aus Eritrea sägt aus einer Aluminiumplatte ein Herz Foto: Olga Jung / INa

Begeistert backten, schraubten, frisierten und sägten am Mittwoch junge Flüchtlinge bei sechs Hamburger Innungen und Betrieben. Rund 100 Mädchen und Jungen im Alter von 14 bis 18 Jahren probierten in Werkstätten und Arbeitsräumen aus, welche Tätigkeit ihnen gut liegt und welche weniger. Sie kommen aus Integrationsvorbereitungsklassen von Hamburger Stadtteilschulen und Berufsschulen. Das Angebot der Praxiskurse in Berufen von Bäcker über Kfz-Mechatroniker, Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik und Metallbauer bis hin zu Tischler und Friseur nahmen die jungen Menschen gern an. Möglich machte es das ESF-Projekt „Integrierte Nachwuchsgewinnung im Handwerk (INa)“ der Handwerkskammer Hamburg zusammen mit der Bäcker-Innung, der Innung Sanitär Heizung Klempner, der Innung des Kfz-Handwerks, der Metall-Innung, der Tischler-Innung und der HairGroup AG.

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Foto: Olga Jung / INa

Im Bildungszentrum der Metall-Innung Hamburg leitete Marieke Giese die jungen Geflüchteten an. Tatkräftig zur Seite standen ihr zwei Auszubildende, die den Teilnehmenden aufmerksam über die Schulter guckten und sie unterstützten, wenn es irgendwo hakte. Vor allem auch sprachlich waren sie eine große Hilfe. Die jungen Schüler, die den Praxiskurs besuchten, lernen erst noch Deutsch, da war es nützlich, dass Daniel Tesfamaryam (20) aus Eritrea auch auf Tigrinya und Amer Obeid aus Syrien auf Arabisch erklären konnten. Daniel ist über eine Maßnahme der Handwerkskammer zu seiner Ausbildung gelangt, Amer durch die Jugendberufsagentur.

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Mit der Feile kommt der Schliff – Semere (18) aus Eritrea ist konzentriert Foto: Olga Jung/ INa

Mehr solcher Biografien sind im vom Fachkräftemangel betroffenen Handwerk wünschenswert. „Die Betriebe brauchen angesichts der guten Konjunktur weitere Fachkräfte und möchten noch mehr Nachwuchs ausbilden“, so der Präsident der Handwerkskammer Hamburg Josef Katzer.
„Es ist schade, dass das Handwerk in Deutschland so abgetan wird. Häufig steht ein handwerklicher Beruf gar nicht mehr zur Debatte, sondern es ist klar, dass nach der Schule das Studium folgt,“ sagt Olga Jung von der INa.

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Foto: Olga Jung /INa

Das Handwerk und die Handwerkskammer fügten hier mit Maßnahmen wie den Praxiskursen, dem Marktplatz der Begegnungen, der Anerkennungsberatung und Projekten wie „Mission Zukunft“ zwei Seiten zusammen, sagt die HWK-Pressesprecherin Ute Kretschmann. „Das Handwerk lebt seine Werte und dazu gehört, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen – auch bei der Integration von Flüchtlingen und anderen Menschen mit Migrationshintergrund. Und natürlich freut sich jeder Betrieb über motivierte junge Menschen, die ihren Weg im Handwerk machen wollen.“

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Sozialpädagogin Marieke Giese vom BZM macht vor, wie man das Aluminiumplättchen feilt Foto: Olga Jung / INa

Hier im BZM sollen die Schüler einen ersten Eindruck gewinnen und feststellen, ob ihnen die Metallarbeit liegt und gefällt. „Sie sollen erstmal das Flair einer Werkstatt kennenlernen“, sagt Giese. „So richtig an Maschinen ranlassen, kann ich die Jugendlichen zwar nicht. Aber es ist eben doch mal etwas anderes als Theorie.“

„Ist mein Herz gut?“

Die Jugendlichen jedenfalls sind eifrig dabei, konzentriert malen sie mit einem Eddingstift die Form eines Herzen auf ihr Plättchen, ritzen mit einer Anreißnadel nach, sägen und feilen, bohren unter Anleitung eines Azubis ein Loch hinein und hämmern mit Schlagbuchstaben und Hammer ihre Initialen in ihr kleines Kunstwerk. Nach zwei Stunden halten sie ihren persönlichen Schlüsselanhänger in der Hand. „Und ist gut?“, fragt einer der Jugendlichen seinen Begleitlehrer und hält ihm sein Herz entgegen. „Gut?“, fragt der Lehrer? „Nein, das ist super gut.“

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Mithilfe des Azubis Daniel Tesfamaryam (20) aus Eritrea wird ein Loch ins Herz gebohrt Foto: Olga Jung / INa

Das Ergebnis bereitet Freude, ist die Metallarbeit der richtige Beruf? Semere (18) aus Eritrea, der seit Juli 2015 in Deutschland ist, ist sich zwar noch nicht sicher, er könne sich auch „kochen oder verkaufen“ vorstellen. Aber auch der Schnuppertag hat seinen Eindruck hinterlassen: „Es hat mir sehr gut gefallen. Ich kann mir vorstellen, im Handwerk zu arbeiten.“

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Das letzte liebevoll Detail: Mit den Initalen auf dem Herz ist der Schlüsselanhänger fertig Foto: Olga Jung / INa

Sollte er sich dafür entscheiden, kann er auf positive Erfahrungen anderer blicken: „Bei Menschen mit Migrationshintergrund – Flüchtlinge und andere Zuwanderer – im Handwerksbetrieb gibt es viele Erfolgsbeispiele, wo beide Seiten – Betrieb und Azubi oder Fachkraft – sehr zufrieden sind“, sagt Pressesprecherin Kretschmann.

Die Erfahrungen mit Flüchtlingen im BZM sind positiv

Und auch Sozialpädagogin Giese, die im BZM im ersten Jahr vier Flüchtlinge ausbildet, verzeichnet Erfolgserlebnisse: „Die Erfahrung ist durchweg positiv. Die vier sind sehr motiviert.“ Natürlich hapere es ein wenig mit den fachlichen Begriffen, aber die lernten sie am besten während der Praxis und nicht durch Pauken. „Und das gilt schließlich auch für unsere deutschen Azubis, die kennen die Fachbegriffe anfangs ja auch nicht.“
Nicht nur seitens des BZM sind die Erfahrungen durchweg positiv. Auch Daniel und Amer gefällt ihre Lehre. „Mir gefällt die Ausbildung. Ich mag alles, was mit Metall zu tun hat“, sagt Daniel. „Vor allem, wenn man etwas mit Motivation macht, bringt es Spaß.“ Und Amer: „Man muss das Handwerk ausprobieren und jeder muss für sich selbst entscheiden, was er mag. Aber mir gefällt die Handarbeit. Es macht mir viel mehr Spaß als in einem Büro vor dem Computer zu sitzen.“

Das Projekt „Integrierte Nachwuchsgewinnung im Handwerk (INa)“ wird aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) und von der Freien und Hansestadt Hamburg finanziert.

Auch in unserem Blog:  Geflüchtete in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ist eines der zentralen innenpolitischen Themen in Deutschland. Unternehmen sind aufgerufen, Engagement zu zeigen – aber auch Sensibilität. Die besondere Lebenssituation von Geflüchteten bedarf auch der Beachtung. Ein Gastbeitrag von Tina Lachmayr, Leiterin der Fachstelle interkulturelle Kompetenzentwicklung und Antidiskriminierung des IQ-Netzwerkes. Auch interessant: Ein Fachkräftemangel zeigt sich in Deutschland bereits heute in einigen Branchen, in Zukunft wird er sich weiter zuspitzen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich: Deutschland braucht ausländische Fachkräfte. Beate Spyrou, Projektleiterin vom IQ Netzwerk Hamburg – NOBI, berichtet in ihrem Gastbeitrag von Maßnahmen, die auf die Anerkennung von Auslandsqualifikationen und die berufliche Integration von Migranten in Hamburg abzielen.

4 thoughts to “Handwerk zum Ausprobieren für junge Flüchtlinge”

  1. Mane Name Efrem Aron Ich bin 26 Jahre alt und ich komme aus Eritrea und ich habe seit 3 Jahre in Deutschland und lebe in Marburg aber jetzt in der Vhs Schule lernen und ich konn derhe Maschine und ich interessante mich für metllarbten und ich will Lernen Sie Brufen
    Mit freundlichen grüßen
    Efrem aron

    1. Lieber Efrem,
      danke für den Kommentar!
      Wie schön, dass Ihnen die Metallarbeit gefällt. Machen Sie an der VHS einen Kurs in der Metallarbeit? Planen Sie eine Ausbildung? Wir wünschen ganz viel Erfolg beim Lernen in der Volkshochschule und die weitere Zukunft.
      Ihr Employland-Team

  2. Liebes Employland-Team,

    gibt es eine Alterbeschränkung für das Praktikum/die Ausbildung? Werden durch das Programm „nur“ junge Flüchtlinge gefördert oder könnte auch jemand, der Mitte/Ende 20 ist, teilnehmen? Vielen Dank und Grüße, Petra Urban

  3. Liebe Petra Urban,

    vielen Dank für Ihre Frage. Wir würden Sie mit dieser gerne an die „Integrierte Nachwuchsgewinnung im Handwerk (INa)“ selber verweisen, die den Praxiskus organisiert hat und am besten Auskunft geben kann. Vielleicht erhalten Sie dort ja auch Informationen über weitere nützliche Angebote. Kontaktdaten finden Sie auf dieser Website:

    https://www.hwk-hamburg.de/ueber-uns/projekte/aus-und-weiterbildung/integrierte-nachwuchsgewinnung-im-handwerk-ina.html

    Wir wünschen Ihnen viel Erfolg und würden uns freuen, wenn Sie uns von diesem berichten.
    Beste Grüße,
    Ihr Employland-Team

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