Flüchtlinge gegen den Pflege-Fachkräftemangel?

Die Gesundheitsbranche leidet unter fehlendem Personal. Die Elektrobranche auch. Letztere hat mit der Digitalisierung Chancen, den Fachkräftemangel abzufedern. Die Pflegebranche nicht. Sind Flüchtlinge eine Lösung?

Der Arbeitsmarkt ist in blühender Verfassung, berichtet das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln: Im März 2016 waren mit 42,6 Millionen so viele Menschen in Deutschland erwerbstätig wie noch nie. Die Arbeitslosenquote sank in den letzten Jahren deutlich. Klingt gut. Aber Arbeitgeber stellt das vor große Herausforderungen.

Digitalisierung gegen den Fachkräftemangel in Elektroberufen

Im März 2016 konnten in 95 Berufen, die dauerhaft Fachkräfteengpässe aufweisen, 378.000 offene
Stellen wegen fehlender Arbeitskräfte nicht besetzt werden. Zunehmend sind Ausbildungsberufe mit Fortbildungsmöglichkeit betroffen. Im März 2016 gab es in 35 von 102 Fortbildungsberufen mehr offene Stellen als Arbeitslose und damit einen Fachkräfteengpass. Knapp fünf Jahre zuvor war dies in erst 22 Berufen der Fall. Besonders stark betroffen sind der Elektro- und der Pflegebereich. In Elektroberufen könnte laut IW-Berufsforscherin Susanne Seyda die Digitalisierung eine Chance sein, die Fachkräfteengpaässe abzumildern: Vor allem in der Automatisierungstechnik und der Elektrotechnik können computergesteuerte Maschinen die Spezialisten entlasten.

Fachkräftemangel Pflege
„Roboter können die Pflege durch Menschen nicht ersetzen.“ Juliane Knüppel, DBfK-Sprecherin

Das geht im Pflegebereich kaum. Beispielsweise fehlt in Deutschland – im Gegensatz zu Japan – die Akzeptanz für Pflegeroboter. Zwar hat auch hier die Digitalisierung bereits Einzug gefunden, in der Branche „Ambient Assisted Living“ (AAL) genannt, das aber eher in Form von Sensorsystemen im häuslichen Bereich, damit alte Menschen so lange wie möglich autonom in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können. Sprecherin des Deutschen Berufsverbands für Pflege (DBfK), Johanna Knüppel:

Pflegerische Versorgung ist eine Tätigkeit, die mit vulnerablen Menschen umgeht, bei der es auf die Einschätzung und den Umgang mit ganz individuellen Bedürfnissen ankommt. Die Kompetenz der Pflegefachperson ist es, aus ihrem Fach- und Erfahrungswissen heraus diejenigen Maßnahmen auszuwählen und umzusetzen, die zum Klienten und seiner Situation passen. Und dann die Effekte zu evaluieren und daraus die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen – verlässlich und mit guter Qualität. Dazu gehört auch die begleitende Kommunikation, Zuwendung und Empathie, menschliche Nähe. Denn ein großes Problem vieler Menschen im Alter und bei Pflegebedürftigkeit ist ihre Vereinsamung. Was kann dagegen ein Pflegeroboter? Er kann ein Glas Saft transportieren und anbieten, die neueren sind programmiert, die Mimik eines Patienten zu „messen“ und daraus ggf. Schmerzen abzulesen. Viel mehr aber auch nicht. Und mal ehrlich, wer möchte im Alter oder bei Pflegebedürftigkeit denn in einer „Humanwaschmaschine“ statt mit Unterstützung in einer behindertengerechten Duschkabine erfrischt werden?

Daher ist gerade in diesem Berufsfeld zusätzliches Personal nötig.

Flüchtlinge gegen den Fachkräftemangel in der Pflege?

Während Deutschland die Fachkräfte fehlen, rechnet die Bundesagentur für Arbeit bis Ende des Jahres mit 350.000 Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt. Können diese den Fachkräftemangel in Deutschland beheben? DBfK-Sprecherin-Knüppel:

Auch unter ihnen wird es einige geben, die sich perspektivisch für einen Pflegeberuf interessieren und eignen. Denen sollte natürlich, wenn die nötigen Vorbedingungen (Schulabschluss, Sprachkenntnisse, gesundheitliche Eignung) gegeben sind, die Chance zu dieser Ausbildung ermöglicht werden, keine Frage. Was man bisher dabei sieht sind allerdings nur Praktika und hier und da eine Pflegehelferqualifikation. Wir haben aber keinen Mangel an Pflegehelfern in Deutschland, ganz im Gegenteil, wir brauchen Fachkräfte mit guter Qualifizierung.

Dass es nicht einfach ist, die Fachkräftelücke im Pflegebereich mit Flüchtlingen zu beheben, davon berichtet auch die Berliner Zeitung.  Demnach habe es im Mai bei Arbeitsagenturen und Jobcentern 2378 offene Stellen im Gesundheits- und Sozialwesen gegeben. Dem standen fast 13 000 erwerbsfähige Asylbewerber gegenüber, von denen fast 9500 arbeitssuchend gemeldet waren.

„Berufsabschlüsse müssen schneller anerkannt werden“

Eine Schwierigkeit, die offenen Stellen mit Flüchtlingen und Migranten zu besetzen seien Zertifikate und Abschlüsse, sagt Arbeitsagentur-Sprecher Dennis Hoffmann der Berliner Zeitung: „Das ist in den Ländern der Menschen, die aktuell mit Fluchthintergrund nach Deutschland kommen, eher untypisch.“ Die formale Qualifizierung sei aber im Pflegebereich unabdingbar. Gleichzeitig müssten aber auch die Abschlüsse der Flüchtlinge, die qualifiziert sind, schneller anerkannt werden.

Dennoch sollte die Chance genutzt werden. In der Pflegebranche geht es nicht nur um kurzfristige Lösungen. Bis 2030 würden laut Berliner Zeitung möglicherweise bis zu 50.000 Stellen in der Gesundheits- und Krankenpflege Berlins und Brandenburgs entstehen, so ein Sprecher des Potsdamer Arbeitsministeriums. Und auch wenn Flüchtlinge den Fachkräfteengpass nicht beheben können, so doch zumindest abfedern. Geschäftsführerin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) Nordost, Ulla Rose sagt: „Flüchtlinge können eine der möglichen Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel sein.“


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