Wochenlang haben die Regierungsparteien über den Familiennachzug debattiert, bevor es zu einer Einigung über das Asylpaket II kam. Um die Flüchtlingszuwanderung einzudämmen, ist der Familiennachzug bei Flüchtlingen nun nur noch eingeschränkt möglich. Qualifizierte Zuwanderung hingegen will die Bundesregierung fördern.
Und da gilt: Für viele Fachkräfte hängt die Entscheidung, in Deutschland zu leben und zu arbeiten auch davon ab, ob ihre Familien einreisen oder nachziehen dürfen. Wie steht es um den Nachzug von Angehörigen internationaler Fachkräfte?
Spracherwerb als Integrationshilfe
Regelungen zur Familienmigration sind maßgeblich vom jeweiligen Familienbegriff der Gesellschaft abhängig. In Deutschland gehören nur nahe Verwandte, also Ehepartner, Kinder, und Geschwister zur Familie. Seit 2007 müssen Ehepartner aus Drittstaaten, die nach Deutschland ziehen wollen, vor der Einreise nachweisen, dass sie sich „zumindest auf einfache Art“ auf Deutsch verständigen können. Ziel dieser Regelung ist es, die Integration der nachziehenden Angehörigen zu fördern.
Allerdings gilt diese Regelung nicht in jedem Fall. Will beispielsweise ein Drittstaatsangehöriger zu einem in Deutschland lebenden EU-Bürger ziehen, muss er keine Deutschkenntnisse vorweisen. Wollen Drittstaatsangehörige zu deutschen Ehepartnern oder in Deutschland lebenden Drittstaatsangehörigen ziehen, müssen sie dagegen die Sprachanforderungen erfüllen. Ausnahme: In Deutschland lebende Drittstaatsangehörige, die im Besitz der Blauen Karte EU, bzw. bestimmter Aufenthaltserlaubnisse sind oder Staatsangehörige der USA, Australiens, Israels und einiger weiterer Länder.
Nachzugskriterien im internationalen Vergleich
Im internationalen Ranking des Migrant Integration Policy Index, kurz MIPEX, zählt Deutschland in Bezug auf den Familien- und Ehegattennachzug zur Gruppe der Länder mit eher ungünstigen Bedingungen. Warum? Als Hauptgrund für die relativ negative Bewertung nennen die Experten die Einführung der Sprachnachweispflicht und die langen Bearbeitungszeiten bei Nachzugsvisa. Der europäische Vergleich zeigt jedoch: In den letzten drei Jahrzehnten sind die Regelungen zum Ehegattennachzug auch in anderen Ländern restriktiver geworden. Zudem sind die Anforderungen in Ländern wie den USA nur auf den ersten Blick großzügiger. Denn auch die quotenbasierten Nachzugsregelungen mit langen Wartezeiten werden von Experten als eindeutige Abschottungspolitik gewertet. Und: Deutsche Zuzugskriterien räumen Familien einen hohen rechtlichen und moralischen Stellenwert ein.
Familiennachzug rückläufig
Fest steht: In den letzten Jahren ist die Zahl der nachziehenden Eheleute und Kinder zurückgegangen. Laut Visa-Statistik von rund 85 000 im Jahr 2002 auf rund 51 000 im Jahr 2014. Etwas höher (64 000) fällt die Zahl aus, wenn auch nachziehende Familienmitglieder ohne Visum eingerechnet werden (AZR).
Die Diskussion über die Regelungen zum Sprachnachweis muss vor diesem Hintergrund gesehen und geführt werden. Denn Kritiker betonen, dass die Sprachnachweispflicht Familienangehörige teilweise vor große Schwierigkeiten stelle. In einigen Herkunftsregionen sei es kaum möglich, einen Deutschkurs zu besuchen oder eine zertifizierte Prüfung abzulegen. Laut Bundesregierung haben 2013 und 2014 jeweils rund ein Drittel der nachzugswilligen Ehegatten den Sprachtest des Goethe-Instituts nicht bestanden.
Im vergangenen Jahr beschäftigte die Sprachnachweispflicht auch den Europäischen Gerichtshof. Die Richter entschieden, dass EU-Mitgliedstaaten von Drittstattangehörigen verlangen können, vor der Einreise Kenntnisse in der Landessprache nachzuweisen. Die Regelung dürfe die Betroffenen aber nicht am Recht auf Familienzusammenführung hindern. Mittlerweile hat die Bundesregierung mit einer Härtefallklausel nachgeregelt.
Sie ermöglicht nach Einzelfallprüfung einen Nachzug auch ohne Nachweis von Deutschkenntnissen. Die Klausel wird in Fachkreisen als wichtiges Signal gewertet. Positiv bewerten Experten auch den relativ sicheren Aufenthaltsstatus, der nachziehenden Ehegatten gewährt wird, wenn sie die harten Anspruchskriterien erst einmal erfüllt haben.
Wichtiges Wettbewerbskriterium
Doch die Warnung der Gutachter bleibt: Die Sprachnachweispflicht für nachziehende Drittstaatsangehörige darf nicht zur ‚Migrationsbremse‘ werden. Denn Familiennachzugs- und Arbeitsmigrationspolitik stehen im direkten Zusammenhang. Viele Ehegattinnen und Ehegatten sind schulisch gut ausgebildet, mehr als die Hälfte bringt einen beruflichen Ausbildungs- oder Studienabschluss mit, lautet das Ergebnis der BAMF-Heiratsmigrationsstudie. Nachziehende Ehepartner sind also auch für den Arbeitsmarkt eine Chance.
Familiennachzug ist im Wettbewerb um „die Besten“ daher in doppelter Hinsicht relevant. Zum einen sind nachziehende Angehörige ein zusätzliches Potential für den Arbeitsmarkt. Zum anderen sind sie ein wichtiger Faktor, um in einem fremden Land Fuß fassen zu können. Es bleibt nun abzuwarten, ob und wie sich die Härtefallklausel in der Praxis bewährt. Aus integrationspolitscher Sicht bleibe die Frage bestehen, ob es „nicht sinnvoller ist, die deutsche Sprache dort zu lernen, wo sie im Alltag gesprochen wird“, so das Fazit des Rechtswissenschaftlers Prof. Dr. Thomas Groß.
Lesen Sie auch:
Liberalisierte Zuwanderung – vermarkten oder vermitteln?
Voraussetzungen für den Familiennachzug