Umsatzeinbußen, Cyberattacken, Digitalisierungsbremse: So schadet der Fachkräftemangel deutschen Unternehmen

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Verpasste Aufträge, Cyberattacken, Umsatzverluste, das sind die Folgen des deutschen Fachkräftemangels. Die Personalnot betrifft viele Branchen und alle Regionen Deutschlands. Zu Zeiten des anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwungs und der digitalen Transformation ist der Bedarf an Fachkräften besonders hoch und wächst weiterhin – deren Mangel kommt deutschen Betrieben teuer zu stehen.

Der deutschen Wirtschaft geht es richtig gut. In den Chefetagen herrsche Hochstimmung, so das ifo-Institut zu den Ergebnissen seiner aktuellen Konjunkturumfrage in Deutschland: Demnach sind Unternehmen zufrieden mit ihrer Lage und erwarten zudem eine Verbesserung der Geschäfte.
Im Mai hob der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) seine Wachstumsprognose für 2017 um 0,2 Prozentpunkte auf 1,8 Prozent an und prognostizierte, dass Unternehmen eine halbe Million neue Stellen schaffen werden. Die deutsche Wirtschaft im Höhenflug – das Problem?

DIHK-Präsident: „Uns geht der Nachwuchs aus“

„Uns geht der Nachwuchs aus“, verkündete in der vergangenen Woche DIHK-Präsident Eric Schweitzer, als er die Ergebnisse der neuen Ausbildungsumfrage des DIHK präsentierte, der zufolge 31 Prozent aller Betriebe ihre Lehrstellen nicht mehr besetzen können. Fast jeder zehnte Betrieb habe nicht eine einzige Bewerbung erhalten. Schon jetzt sei der Fachkräftemangel ein Geschäftsrisiko für jedes zweite Unternehmen: „Denn fehlende Fachkräfte bedeuten weniger Wachstum und Wohlstand.“

„Uns geht der Nachwuchs aus“, sagt DIHK-Präsident Eric Schweitzer zur Ausbildungsumfrage 2017 Foto: DIHK / Nils Hasenau

49 Mrd. Euro Umsatz entgeht dem Mittelstand wegen Personalmangel

Das macht auch das jüngste Mittelstandsbarometer der Wirtschaftsberatung Ernst & Young deutlich: Demnach muss jeder zweite Mittelständler (53 Prozent) aufgrund von Personalmangel Aufträge ablehnen – jeder neunte schätzt seinen entgangenen Umsatz durch den Fachkräftemangel auf mehr als 5%. E&Y berechnet aus den Umfrageergebnissen für den gesamten Mittelstand einen entgangenen Umsatz von aktuell gut 49 Milliarden Euro im Jahr.

Doch nicht nur versäumte Aufträge, auch IT-Sicherheitslücken aufgrund von Personalmangel führen zu Umsatzverlusten.
Immer mehr Unternehmen sehen sich Cyber-Angriffen ausgesetzt: Laut einer Umfrage der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers ist jedes fünfte der 400 befragten mittelständischen Unternehmen in Deutschland 2016 Opfer eines Cyber-Angriffs geworden. 2015 ist es nur jedes zehnte gewesen.

Cyber-Attacken führen zu bis zu 20 Prozent Umsatzverlust

Cyber-Attacken kosten Geld und Kunden. So ergab der Cisco Annual Cybersecurity Report 2017, für den rund 3.000 Chief Security Officers (CSOs) und Leiter von IT-Sicherheitsabteilungen aus Deutschland und 12 weiteren Ländern befragt wurden: Als Folge von Sicherheitsvorfällen musste rund ein Drittel der Betriebe im vergangenen Jahr Umsatz von zum Teil mehr als 20 Prozent einbüßen.

Das Geschäft litt darüber hinaus unter dem Verlust von Markenimage und Kundentreue: Nach einem Angriff auf die IT-Sicherheit verloren 22 Prozent der betroffenen Unternehmen Kunden, 40 Prozent von ihnen sogar mehr als jeden fünften Kunden. Neben Budgeteinschränkungen und schlechter Kompatibilität von Systemen gelten nannten die befragten CEOs fehlende Fachkräfte als größtes Hindernis zur Verbesserung der IT-Sicherheit.

„Fachkräftesituation gefährdet die digitale Transformation“

Auch verschiedene Umfragen des Digitalverbands Bitkom zeigen, wie schwer es deutschen Unternehmen fällt, mit der Digitalisierung Schritt zu halten und bestätigen als die größten Hemmnisse neben den rechtlichen Anforderungen bei der Nutzung von Daten die Sorge um die IT-Sicherheit und den Fachkräftemangel.
51.000 Stellen für IT-Spezialisten waren laut Bitkom-Umfrage Ende vergangenen Jahres unbesetzt, damit war die Zahl um fast 20 Prozent innerhalb eines Jahres gestiegen. Die schwierige Fachkräftesituation „gefährdet die digitale Transformation“, so Bitkom-Präsident Thorsten Dirks.

51.000 Stellen für IT-Spezialisten waren laut Bitkom-Umfrage Ende vergangenen Jahres unbesetzt, damit war die Zahl um fast 20 Prozent innerhalb eines Jahres gestiegen Foto: monsitj / Istockphoto.com

Dem stimmt auch der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) zu. In dessen aktueller Umfrage zeigt es sich als größte Herausforderung des digitalen Wandels, geeignete Geschäftsmodelle zu konzipieren und umzusetzen – da habe Deutschland einen deutlichen Nachholbedarf. Die größte Hürde? Es fehlen IT-Fachkräfte, und das nicht mehr nur in kleinen und mittleren Unternehmen. Auch große Unternehmen haben demnach inzwischen Schwierigkeiten, IT-Fachkräfte zu finden.

Problematisch ist laut VDI, dass die Unternehmen deswegen zunehmend IT-Entwicklungsleistungen ins Ausland verlagern oder ganz aus dem Unternehmen herausgeben. So wird das für die digitale Transformation notwendige Wissen nicht im eigenen Betrieb aufgebaut und damit auch nicht am Standort Deutschland.

„Betriebe investieren weniger in neue Technologien“

Zu Zeiten von Digitalisierung, Industrie 4.0 und Elektromobilität müssen sich deutsche Unternehmen durch Forschung, Entwicklung und Innovation im internationalen Wettbewerb behaupten, erfolgreich zu sein. Für die Umsetzung benötigen sie technisch-naturwissenschaftliches Know-how. Das zeigt sich entsprechend am Arbeitsmarkt: Im Juni waren laut IW Köln 440.000 Stellen in den sogenannten MINT-Berufen offen. Sie fordern die Innovationsfähigkeit deutscher Unternehmen heraus.

„Deutschland gehen die MINT-Leute aus“, erklärte DIHK-Präsident Eric Schweitzer im Juni die Ergebnisse einer Umfrage der Industrie- und Handelskammern unter den Mitgliedsunternehmen, der zufolge vier von zehn Unternehmen Ingenieure, Mechatroniker, Elektrotechniker und andere technische Berufe nicht nachbesetzen können – in der Industrie sind es sogar fast 80 Prozent. Hier sieht er einen „bedrohlichen Teufelskreis“:
Schweitzer zufolge investieren die Betriebe wegen fehlender Fachkräfte weniger in neue Technologien, wodurch Experten bei Produktentwicklung und Produktion fehlen und zum „Hemmschuh für Unternehmen“ werden. Das wiederum schwäche ihre internationale Wettbewerbsposition.

Internationale Fachkräfte könnten gegen den Engpass helfen

Was dagegen zu tun ist? Laut Schweitzer muss das Interesse an MINT-Berufen schon in den Schulen gestärkt werden. Auch internationale Fachkräfte könnten helfen, den Engpass zu reduzieren: „Wir müssen daher im Ausland mehr über Deutschland als Arbeits- und Studienort informieren und zugleich gerade kleinere Unternehmen hierzulande bei der Suche nach klugen Köpfen aus anderen Ländern unterstützen.“ Auch Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer adressierte kürzlich das Problem des Fachkräftemangels und forderte, dass alle inländischen Potenziale an Beschäftigten gehoben und darüber hinaus „systematisch Fachkräfte aus anderen Ländern“ angeworben werden müssen.

 

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Beitragsbild:  HYWARDS / Istockphoto.com

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