Bewerbung: Training für Geflüchtete auf dem Weg zu Ausbildung und Arbeit

„Rrring, rrring“, simuliert die junge Frau ein Klingeln, Zeigefinger und Daumen ausgestreckt hält sie ihre Hand ans Ohr: „Guten Tag, Stadtreinigung Hamburg, was kann ich für Sie tun?“ Um sie herum bilden Tische ein U, rund 13 Männer sitzen um sie herum. „Guten Tag. Ich interessiere mich für eine Ausbildung als Mechatroniker. Haben Sie Plätze?“, antwortet ein junger Syrer aus der Runde: „Ich habe noch eine Frage. Mein Abschluss ist ein Hauptschulabschluss, welche Voraussetzungen gibt es für die Ausbildung?“

13 Männer aus Syrien, aus dem Irak und aus dem Libanon im Alter von 20 bis 37 Jahren nahmen am vergangenen Freitag an der Veranstaltung „Bewerbertraining für Geflüchtete“ teil, die regelmäßig von der Handelskammer (IHK) Hamburg angeboten wird. In einem achtstündigen Seminar erfuhren sie, was eine duale Berufsausbildung ist, wie der deutsche Arbeitsmarkt und der Bewerbungsprozess funktioniert und bekamen die Möglichkeit, unter Anleitung ihr persönliches Anschreiben und ihren persönlichen Lebenslauf zu gestalten. Auch einen Gutschein für ein Bewerbungsbild bei einem Fotografen gab die IHK Hamburg zum Abschluss mit. Obwohl alle Teilnehmenden grundlegende oder fortgeschrittene Deutschkenntnisse haben, war eine Übersetzerin dabei, die den Inhalt der Veranstaltung auf Arabisch übersetzte. Dieses Angebot steht an ausgewählten Terminen auch für die Sprachen Dari und Farsi zur Verfügung.

Sie möchten eine Ausbildung oder Arbeit finden – so schnell wie möglich

Ob Textilingenieur, Tischler, Friseur, Elektroniker, ehemaliger Schwammfabrikbesitzer oder Abiturient, sie alle sind als Geflüchtete nach Deutschland gekommen und haben das gleiche Ziel: Sie möchten eine Ausbildung machen, einen Praktikumsplatz oder Arbeit finden – und das so schnell wie möglich.

„Wir haben eine sehr geringe Arbeitslosenquote in Deutschland“, sagt Charlotte von Knobloch, die das Bewerbungstraining konzipiert hat und durchführt. „Das liegt daran, dass wir eine gut funktionierende Wirtschaft haben, hängt aber auch mit unserem guten Ausbildungssystem zusammen.“ Die meisten Arbeitslosen in Deutschland hätten keine Ausbildung. „Das heißt für Sie: Wenn Sie eine Ausbildung haben und Ihr Abschluss anerkannt wird, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie einen Job finden.“

Deutschland hat einen hohen Anteil an Fachkräften, aber nicht genug, denn in Deutschland besteht in einigen Berufen ein Fachkräftemangel. Deutschland braucht sie, das lernen die Teilnehmenden hier. Unternehmen suchen ausgebildete Fachkräfte besonders in den Elektro- und Elektronikberufen, im Hotel- und Gastronomiegewerbe und in den Gesundheitsberufen.

 

Geflüchtete Arbeitsmarkt Ausbildung
Sie möchten gerne eine Ausbildung machen und Arbeit finden: Teilnehmende beim Bewerbertraining für Geflüchtete der IHK Hamburg Foto: Employland

„Warum ist, was ich kann, nicht wichtiger als das Papier?“

Man würde schauen, was die ins Land gekommenen Geflüchteten in ihrem Herkunftsland gelernt haben, inwiefern das gleichwertig mit den deutschen Standards oder ob es sinnvoll sei, in Deutschland eine Ausbildung zu machen, erklärt die Bewerbungstrainerin.
„Deutschland will immer Papiere sehen“, sagt Amer Karkar (37) aus Syrien. „Ich habe 15 Jahre als Tischler gearbeitet, aber keine Dokumente. Warum ist, was ich kann, nicht wichtiger als das Papier?“

Für jedes Anliegen weiß Charlotte von Knobloch einen Tipp. Dem Tischler empfiehlt sie sich an den „Elbcampus“ zu wenden, das Bildungs- und Kompetenzzentrum der Handwerkskammer Hamburg. Der Elbcampus ist unter anderem zuständig für sogenannte „Kompetenzfeststellungen“, bei denen Geflüchtete ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen können, für die sie keine formale Nachweise vorlegen können. Ein Syrer, der in Syrien eine Schwammfabrik besaß, sieht mit seinem Beruf keine Chance in Deutschland und ist hin- und hergerissen, ob er eine Ausbildung machen soll – und wenn, dann welche? Ihn verweist Knobloch an das Projekt „W.I.R. work and integration for refugees“, eine Anlaufstelle, die Beratung, Betreuung und Unterstützung anbietet, um Geflüchtete möglichst schnell in Ausbildung, Studium und Beschäftigung zu integrieren. Teilnehmende, die ein Praktikum machen möchten, bringt Knobloch mit einer Willkommenslotsin zusammen, die Unternehmen und Geflüchtete miteinander in Kontakt bringt.

Zu den Seminarinhalten gehören unter anderem die Wege in eine qualifizierte Beschäftigung, erklärt wird dabei das Schulsystem, das Schulberufssystem, das duale Ausbildungssystem und das Studium. Der Fokus liegt auf der Ausbildung.
„In der dualen Berufsausbildung sind Sie 67 Prozent der Zeit im Betrieb und 33 Prozent in der Berufsschule. Die Theorie ist sehr gut auf die Praxis abgestimmt“, sagt Knobloch. Beispiele für entsprechende Ausbildungsberufe seien Einzelhandelskaufmann, Friseur oder Mechatroniker.
„In der schulischen Berufsausbildung findet die Ausbildung Vollzeit in der Berufsschule statt“. Beispiele: Krankenpfleger, Erzieher oder IT-Assistent.

„Soll ich eine Ausbildung machen oder direkt arbeiten?“

„Soll ich eine Ausbildung machen oder direkt arbeiten?“, „Sollen wir uns bei größeren oder bei kleineren Unternehmen bewerben?“, die Teilnehmenden haben viele Fragen.
Knobloch gibt Antworten: „Viele von Ihnen mögen denken, es ist gut, direkt mit dem Arbeiten anzufangen, weil man mehr verdient. Das mag kurzfristig stimmen, in den ersten drei Jahren der Ausbildung verdient man zwischen 500 bis 800 Euro. Langfristig stimmt es aber nicht. Ab dem vierten Jahr, wenn man fertig ausgebildet ist, steigt das Gehalt – bis zu 3000 Euro brutto.“

Bewerbung Geflüchtete Flüchtlinge
Die Teilnehmenden haben viele Fragen zum Thema Arbeiten und Ausbildung. Bewerbungstrainerin Charlotte von Knobloch gibt im Seminar der IHK Hamburg Antworten Foto: Employland

Ein weiterer Aspekt spricht für den Ausbildungsweg: Mit dem neuen Integrationsgesetz wurde die Regelung eingeführt, dass Geduldete, die einen Ausbildungsvertrag unterschreiben, für drei Jahre eine Duldung erhalten. Nach Abschluss der Ausbildung bekommen sie eine Aufenthaltserlaubnis für zwei Jahre, wenn sie eine Beschäftigung haben. Sind dann die 5 Jahre um, ist es möglich, die Niederlassungserlaubnis zu beantragen – einen unbefristeten Aufenthaltstitel.

Ein Teilnehmer ist aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse bei einem Einstufungstest für die Ausbildung in einem großen Unternehmen durchgefallen. Bei einem kleineren Betrieb hat er die Möglichkeit, eine Ausbildung zu beginnen. Da er später gerne in dem Großunternehmen arbeiten möchte, erwägt er, den Test zu einem späteren Zeitpunkt zu wiederholen, um dort die Ausbildung zu machen.

„Besser ist jetzt eine Ausbildung zu machen als drei Jahre zu warten“

Knobloch rät davon ab: „Es ist nicht schlimm, wenn Sie Ihre Ausbildung in einem anderen Betrieb machen. Sie können später immer noch im größeren Betrieb arbeiten.“
Er: „Aber besser ist es, in einem großen Unternehmen die Ausbildung zu machen?“
Sie: „Besser ist es, jetzt mit der Ausbildung zu beginnen als drei Jahre zu warten.“

Die meisten Teilnehmenden jedoch sind noch nicht so weit, sie haben noch keine Ausbildungsstelle. Ihnen steht der Bewerbungsprozess noch bevor. Also wird kräftig trainiert.

„Das zeigt, dass Sie ehrlich, aber auch motiviert sind!“

„Was kann man sagen, wenn man nach seinen Schwächen gefragt wird?“, fragt Bewerbungstrainerin Knobloch und lässt ihren Blick über die Teilnehmenden schweifen. „Ungeduldig“, ruft ein junger Mann. „Daraus könnte Ihnen jemand einen Strick drehen“, erwidert Knobloch. „Dass mein Deutsch nicht perfekt ist, ich will es aber verbessern“, meldet sich ein Anderer zu Wort. „Ja, genau, super!“, erhält er Lob von der Anleiterin. „Das zeigt, dass Sie ehrlich, aber auch motiviert sind, daran zu arbeiten!“

Aboushi Rafik (29), Business Manager aus dem Libanon: „Ich habe schon vier Mal Arbeit gefunden, aber keine Arbeitserlaubnis erhalten“ Foto: Employland

„Das Foto sieht aus wie: Ich suche einen Freund“

„Ist das ein angemessenes Bewerbungsfoto?“, Knobloch wirft das Foto einer jungen rothaarigen Frau mit peppiger Hochsteckfrisur, einem Piercing in der Lippe und Tanktop an die Leinwand.
Ein Lachen geht durch die Runde. „Nein? Warum nicht?“, auch Knobloch ist amüsiert.
„Sie zeigt, wie schön sie ist“, meldet sich ein Teilnehmer zu Wort. „Sie hat viel Lippenstift, die Haare sind nicht ok“, sagt ein Anderer, „muss professioneller sein“. Der nächste scherzt
„Das Foto sieht so aus wie „Ich suche einen Freund“, nicht wie „Ich suche einen Job.“

Im Seminarraum findet Humor Ausdruck, aber auch die Sorgen und der Frust der Teilnehmenden dringen durch.

„Ich möchte ein Praktikum machen, aber vormittags bin ich beim Deutsch-Kurs. Und am Nachmittag ist meine Frau beim Deutsch-Kurs, dann habe ich die Kinder.“ – „Ich habe Schwierigkeiten bei der Ausbildung wegen der Sprache. Es gibt keinen Extra-Deutsch-Unterricht.“ – „Ich habe einen Aufenthalt für drei Jahre. Ich sorge mich um meine Kinder: Wo werden sie groß?“

„Ich möchte arbeiten, mein Körper geht kaputt. Aber da ist immer eine Wand“

Und ein weiterer Teilnehmer sagt:
„Ich möchte gerne arbeiten, aber da ist immer eine Wand. Mein Körper geht kaputt, er braucht Bewegung. Sie sagen, die Unternehmen brauchen uns. Ich kenne viele Flüchtlinge, viele Syrer, die schon seit zwei Jahren hier sind. Sie können Deutsch und wollen arbeiten. Aber sie finden keine Arbeit. Wir wollen nicht immer Flüchtling bleiben.“

„Sie haben es schwer, ich habe unheimlich Respekt vor Ihnen“

„Ich bin mir bewusst, dass Sie es in Deutschland schwer haben“, antwortet Knobloch. „Ich habe unheimlichen Respekt vor Ihnen. Aber Sie müssen verstehen: Für die Unternehmen ist es eine ganz neue Situation.“ 2015 seien sehr viele Geflüchtete ins Land gekommen. Das sei für alle sehr schwierig gewesen. Es mussten Schlafplätze, es musste Essen organisiert werden. Jetzt seien die Grundbedürfnisse gestillt und es ginge darum, die Geflüchteten in Arbeit zu bringen. „Aber die Mühlen mahlen langsamer als in Syrien. Hier in Deutschland baucht man für alles Dokumente. Und für die Unternehmen ist die neue Situation eine Herausforderung.“ Plötzlich müssten sie sich um Arbeitserlaubnisse kümmern, Behördengänge machen. Sie müssten sich auf die neuen Umstände einstellen. „Aber sie brauchen Sie! Es braucht ein wenig Geduld und Sie müssen hart arbeiten.“

Das Bewerbertraining für Geflüchtete der IHK Hamburg ist eine im Juli 2016 gestartete Initiative des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit und wird finanziert durch die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie, Integration Hamburg.

Die nächsten Termine:
24. April 2017 von 9.00 – 17.00 Uhr (mit arabischer Übersetzung)
26. April 2017 von 9.00 – 17.00 Uhr (mit Übersetzung auf Dari/Farsi)

Die Anmeldung ist über das Veranstaltungsportal oder über SMS möglich.

Freiwillige gesucht

Die Erstellung eines Lebenslaufs in einer fremden Sprache ist eine Herausforderung, bei der die Geflüchteten auf Unterstützung angewiesen sind. Dafür sucht die IHK Freiwillige, die einen Nachmittag lang um einen, in seltenen Fällen auch mal um zwei Flüchtlinge betreuen, während diese an einem PC in einem unserer Schulungsräume ihren Lebenslauf erstellen. Konkret geht es um 3,5 Stunden an einem der unten genannten Termine. Anmeldung hier möglich.

Möchten Sie, ohne Bewerbungen zu schreiben, einen Job in Deutschland finden? Dann erstellen Sie Ihr persönliches Profil auf www.employland.de. Arbeitgeber aus Deutschland suchen in unseren Fachkraft-Profilen nach geeigneten Mitarbeitern und kontaktieren sie. Unser Angebot ist für Fachkräfte kostenlos!

Weitere Infos:
Bewerbertraining für Geflüchtete der IHK

Auch in unserem Blog:
Handwerk zum Ausprobieren für junge Flüchtlinge:
Einblicke in einen Praxiskurs für junge Flüchtlinge im Bildungszentrum Metall Hamburg (BZM).

 

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