„Von der gelebten Unternehmenskultur zum authentischen IT-Recruiting“

IT Recruiting Fachkräftemangel

In seinem neuen Buch “Kulturbasiertes IT-Recruiting: Warum Headhunter für Ihr Unternehmen überflüssig sind“, geht Frank Rechsteiner der Frage nach, wie IT-Unternehmen – vom Start-up bis zum Konzern – auch künftig die besten Mitarbeiter finden und binden können. Während IT-Unternehmen zu Zeiten des Fachkräftemangels auf Employer Branding und Headhunting als Recruiting-Konzepte setzen, seien diese immer weniger erfolgreich. Rechsteiners Sechs-Punkte-Plan fordert von IT-Arbeitgebern ein radikales Umdenken, um zu erkennen, was Mitarbeiter heute wirklich wollen. Der Autor nutzt seine langjährigen Erfahrungen als Personal- und Strategieberater und untermauert seine Thesen mit Interviews und Praxisbeispielen. Frank Rechsteiner im Interview mit Employland. 

Employland: Herr Rechsteiner, mögen Sie sich kurz vorstellen und darstellen, wie Sie Ihre Expertise zum Thema Recruiting erworben haben?

Frank Rechsteiner: Ich bin Inhaber der Hype Group, die auf Executive Recruiting und Strategieberatung für IT-Unternehmen spezialisiert ist. Zuvor hatte ich langjährige Führungspositionen bei internationalen IT-Anbietern inne. Mit regelmäßigen Umfragen und Studien ermittle ich Trends im Arbeits- und Bewerbermarkt in der IT-Branche. Darüber hinaus schreibe ich als Autor für den Springer Gabler-Verlag, neben dem eingangs erwähnten Buch „Kulturbasiertes IT-Recruiting“ zum Beispiel auch das Essential „Erfolgreiches IT-Recruiting trotz Fachkräftemangel“.

Das Hauptproblem ist, dass die IT-Arbeitgeber beim Recruiting nicht genügend dem Wandel vom Arbeits- zum Bewerbermarkt Rechnung tragen

Employland: Was läuft falsch in der Art und Weise, wie Recruiting-Prozesse heute gestaltet werden?

Frank Rechsteiner: Das Hauptproblem ist, dass die IT-Arbeitgeber beim Recruiting nicht genügend dem Wandel vom Arbeits- zum Bewerbermarkt Rechnung tragen, wie er in den vergangenen Jahren vor allem durch den dramatisch steigenden Fachkräftemangel entstanden ist. Das heißt konkret, dass sich die IT-Fach- und -Führungskräfte ihre neuen Arbeitgeber aussuchen können, während unter den Unternehmen ein starker Wettbewerb um die besten Köpfe entstanden ist.

Employland: Welche Empfehlungen leiten Sie daraus für Arbeitgeber ab?

Frank Rechsteiner: Für die IT-Arbeitgeber reicht es längst nicht mehr aus, auf verschiedenen Kanälen eine Stelle auszuschreiben und darauf zu warten, dass Bewerbungen eintreffen. Sie müssen sich vielmehr Gedanken darüber machen, wie sie ihre Attraktivität für Kandidaten steigern und ein authentisches Recruiting entwickeln können, das auf ihrer gelebten Unternehmenskultur basiert.

Wir erweitern unseren Horizont durch die Begegnung mit anderen Kulturen und damit unsere Arbeits- und Sichtweisen beträchtlich

Employland: Woher wissen Sie, dass Ihre Strategie – Ihr in Ihrem Buch dargestellter Sechs-Punkte-Plan – aufgeht und nicht tatsächlich der Fachkräftemangel schuld an allem ist? Kann das Arbeitskräfteangebot auf dem deutschen Arbeitsmarkt den Bedarf an IT-Fachkräften decken?

Recruiting IT Fachkräfte
Foto: Frank Rechsteiner

Frank Rechsteiner: Mein Sechs-Punkte-Plan ist kein theoretisches Konstrukt, sondern in jahrelanger Zusammenarbeit mit meinen Kunden entstanden. Daher kann ich zahlreiche Referenzen von IT-Unternehmen aufführen, denen es damit gelang, ihre Arbeitskultur und ihr Recruiting zu verbessern. Dies beweist, dass mein Ansatz für ein kulturbasiertes Recruiting in der Praxis erfolgreich ist. Unternehmen, die ihn anwenden, kennen keinen Fachkräftemangel. Dabei ist jedoch wichtig zu verstehen, dass Sie mit meinem Ansatz nicht automatisch hunderte Bewerber rekrutieren werden und somit alle Aufgaben gelöst sind.   Die „Hype-Strategie“ zielt vielmehr auf drei Hauptkriterien, damit Unternehmen die passenden Mitarbeiter finden. Im Wesentlichen geht es um die Qualität und Passgenauigkeit der Profile – nicht um die Quantität. Unternehmen sollten daher an der Beantwortung dieser Fragen arbeiten:

  • Schärfen Sie Ihr Unternehmensprofil! – Wofür stehen Sie?
  • Wie sieht Ihre gelebte Unternehmenskultur aus?
  • Wie kommen Sie von der gelebten Unternehmenskultur zum authentischen Recruiting?

Employland: Was denken Sie darüber, dass in der Politik und in der Wirtschaft zunehmend verstärkt artikuliert wird, Deutschland braucht ausländische Fachkräfte, um den Fachkräftebedarf in Deutschland zu decken?

Frank Rechsteiner: Bei der Vielzahl an Möglichkeiten, neue Fachkräfte zu gewinnen, halte ich dies für einen sehr guten Weg. Wir als Gesellschaft – und somit jeder einzelne von uns – gewinnen aus Initiativen zum Recruiting internationaler Kandidaten. Denn wir erweitern unseren Horizont durch die Begegnung mit anderen Kulturen und damit unsere Arbeits- und Sichtweisen beträchtlich. Daher ermutige und unterstütze ich jedes Unternehmen, sich aktiv dieser Herausforderung zu stellen und sich an solchen Initiativen zu beteiligen.

Employland: Raten Sie Unternehmen, ihre Mitarbeiter auch im Ausland zu suchen?

Frank Rechsteiner: Ja, auf jeden Fall! Allerdings müssen die Firmen auch die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Eingliederung von Mitarbeitern aus anderen Ländern erfüllen – und da tun sich einige von ihnen noch schwer. Daher ist es sehr wichtig, dass sich die Arbeitgeber auf diesen Schritt gut vorbereiten und sich zuallererst mit ihrer eigenen Unternehmenskultur auseinandersetzen. Nur so können sie nämlich definieren, welche Mitarbeiter auch kulturell zu ihnen passen, Stichwort: Cultural Fit. Nur wenn die Unternehmen wissen, wer sie selbst sind und welchen Leitlinien sie im Umgang mit Mitarbeitern, Partnern und Kunden folgen, können Sie die passenden Kandidaten finden und binden.

Die meisten großen und mittelgroßen Unternehmen kämpfen und werben schon im Ausland um IT-Fach- und Führungskräfte

Employland: Wie stark setzt die deutsche IT-Branche aktuell auf ITler aus dem Ausland? Aus welchen Ländern stammen die ausländischen Angestellten & welche Länder bieten besonderes Potenzial?

Frank Rechsteiner: Aus meiner Erfahrung kann ich berichten, dass die meisten großen und mittelgroßen Unternehmen schon im Ausland um IT-Fach- und Führungskräfte kämpfen und werben. Kleinere Firmen sind da noch zurückhaltender, stellen aber sehr gerne ausländische Mitarbeiter ein, die schon seit ein paar Monaten in Deutschland sind und erste Erfahrungen mit der hiesigen Arbeitswelt gemacht haben. Warum ist das so? Kleinere IT-Anbieter verfügen über keine ausreichenden HR- und Recruiting-Ressourcen, um auch in anderen Ländern für sich zu werben. Ich gehe jedoch davon aus, dass sich dies in den kommenden Jahren ändern wird – allein schon aufgrund des fortschreitenden Fachkräftemangels.

Employland: Was spricht dagegen, IT-Fachkräfte im Ausland zu rekrutieren?

Frank Rechsteiner: Da fallen mir nur zwei Faktoren ein:

  • Sprachbarrieren – und zwar auf Seiten der Unternehmen, nicht der meist global aufgestellten IT-Fachkräfte
  • Zu geringer Wille der Unternehmen, IT-Fachkräfte zu integrieren und gemäß ihren Stärken einzusetzen

Employland: Deutschland hat mit der deutschen Sprache einen Wettbewerbsnachteil, wenn es um den globalen „War for Talents“ geht. Wie wichtig sind deutsche Kenntnisse den Arbeitgebern im IT-Bereich, zeigt sich in dieser Branche auch so wenig Flexibilität wie auf dem allgemeinen deutschen Arbeitsmarkt?

Frank Rechsteiner: Leider haben Sie Recht, ich bin immer wieder erstaunt, wenn mich international tätige IT-Anbieter anrufen und fordern, dass ihre neuen Mitarbeiter alle Deutsch sprechen müssen. Da stelle ich mir die Frage, wer hier eigentlich unflexibel ist – der Kunde, der neue Mitarbeiter oder die Unternehmensberatung? Trotzdem bin ich zuversichtlich, dass auch diese Bastion fallen wird, sobald der Druck noch größer wird, nicht mehr die passenden Mitarbeiter zu finden.

 

Auch in unserem Blog: Verpasste Aufträge, Cyberattacken, Umsatzverluste, das sind die Folgen des deutschen Fachkräftemangels. Die Personalnot betrifft viele Branchen und alle Regionen Deutschlands. Zu Zeiten des anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwungs und der digitalen Transformation ist der Bedarf an Fachkräften besonders hoch und wächst weiterhin – deren Mangel kommt deutsche Betriebe teuer zu stehen.
Lesen Sie auch: Der Fachkräftemangel in Deutschland erfordert Zuwanderung in großer Dimension. Doch neue Zuwanderungszahlen belegen: Die Zahl der Arbeitsmigranten, die nach Deutschland kommen, ist so niedrig, dass sie den Bedarf nicht im Ansatz deckt.

Fotos: Frank Rechsteiner

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