Interview: Auslandsrekrutierung – Bürokratische Hemmnisse müssen abgebaut werden

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Als Unternehmensberater, Trainer und Betreiber des Demographie Blogs steht Betriebswirt und Politikwissenschaftler Rolf Dindorf Employland Rede und Antwort rund um die Themen Fachkräftemangel und Auslandsrekrutierung.

Employland: Vor wenigen Tagen sagte Arbeitgeber-Präsident Ingo Kramer im Interview mit dem Hamburger Abendblatt, Deutschland müsse „systematisch Fachkräfte aus anderen Ländern anwerben“, unsere erwerbsfähige Bevölkerung schrumpfe um sechs Mio. bis 2030. Auch sagte er, die Politik scheine die Notwendigkeit allmählich zu begreifen. Ist das so? Wie steht es um die Wirtschaft, sind Personaler bereit für die verstärkte Auslandsrekrutierung?

Rolf Dindorf: Die gesetzliche Lage für die Einstellung ausländischer Fachkräfte hat sich in den letzten Jahren verbessert. Nichtsdestotrotz kommt für die Personalverantwortlichen ein bürokratischer und organisatorischer Mehraufwand zu. Aufenthaltsrechtliches Know-how ist erforderlich, außerdem kommt der inner- wie außerbetrieblichen Integration eine zentrale Bedeutung zu. In diesem Kontext sei an Sprachkurse oder der Nachzug eines Ehepartners erinnert.

Bürokratische Hemmnisse schrecken Personaler ab

Kurzum: Die bürokratischen Hemmnisse und der Integrationsaufwand schrecken Personaler ebenso ab wie der Aufwand der Personalsuche im Ausland. Ein Sechstel der Pflegeeinrichtungen hat beispielsweise bisher versucht, im Ausland Personal zu finden. Hier bietet es sich an mit einem versierten Partner die Suche zu starten.

Ist das Land und sind die Unternehmen attraktiv genug?

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„In den letzten Jahren wurden in Deutschland erhebliche Anstrengungen unternommen, die Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften zu verbessern“ Rolf Dindorf

 

Die nächste spannende Frage ist, ob die gewünschten Fachkräfte nach Deutschland kommen wollen. Ist das Land und sind die Unternehmen attraktiv genug?
Hier kommt die Unternehmensführung einschließlich der Personaler ins Spiel. Inwieweit hat sich die Braut (Betrieb) für ausländische Fachkräfte hübsch gemacht?

Employland: Und? Die Fragen möchten wir gerne an Sie zurückspielen.

Rolf Dindorf: In den letzten Jahren wurden in Deutschland erhebliche Anstrengungen unternommen, die Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften zu verbessern. Beispielsweise wurden in Rheinland-Pfalz die „Welcome Center Rheinland-Pfalz“ bei den Industrie-und Handelskammern für internationale Fachkräfte und rheinland-pfälzische Unternehmen, die internationale Fachkräfte beschäftigen wollen, eingerichtet.

Jammern über den Fachkräftemangel und nichts tun, ist zu wenig

Nachgebessert werden müssen seitens des Staates der Abbau bürokratischer Hemmnisse und die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse.
Auch seitens der Unternehmen wurde schon ein erheblicher Aufwand betrieben, internationale Mitarbeiter zu finden und zu binden. Sprachkurse, Übergangswohnungen, Hilfe beim Familiennachzug etc.

Letztendlich muss jeder Betrieb prüfen, inwieweit sich die Anwerbung und Beschäftigung ausländischer Kräfte lohnt. Nur jammern allerdings über den Fachkräftemangel und nichts tun, ist zu wenig.

Employland: Was macht ein Unternehmen generell attraktiv?

Rolf Dindorf: Arbeitgeberattraktivität bedeutet Erstklassigkeit durch Vertrauenskultur. Eine etablierte Vertrauenskultur führt zu stärkerer Wahrnehmbarkeit. Als Leuchtturm im trüben Nebel der Mittelmäßigkeit setzt eine derartig gelebte Unternehmenskultur ein Ausrufezeichen für potenzielle Fachkräfte. Angesichts des demographischen Wandels und seiner Begleiterscheinung ist der Fachkräftemangel ein wichtiger Fingerzeig.
Was erwarten Mitarbeiter angesichts der Megatrends Individualisierung und Digitalisierung von ihrem Arbeitgeber? Versetzen Sie sich in die Köpfe der zukünftig Beschäftigten. „Was würde mich bei einem Betrieb ansprechen?“ Sprechen Sie mit Ihren Markenbotschaftern, also Ihren Angestellten und Arbeitern. Dann geht es ans Eingemachte. Die bisherigen Werbemaßnahmen sind kritisch zu beleuchten.
Generell trägt zum attraktiven Image eines Unternehmens bei:

  • Familien- und Pflegefreundlichkeit
  • Homeoffice
  • Weiterbildungsmöglichkeiten
  • Karrierechancen
  • Flexible Arbeitszeitmodelle
  • Vertrauenskultur
  • Moderne Führungskonzepte (Selbstorganisation, Team, Sinn)
  • Führung in Teilzeit

Employland: Diversität ist angesagt, heißt es – das umfasst Mehrgenerationen-Teams, interkulturelle Teams oder auch die Inklusion von Behinderten. Können Unternehmen so viel Unterschiedlichkeit aushalten?

Diversität im Team bringt Vorteile

Rolf Dindorf: Der bekannte britische Star-Unternehmer Richard Branson bringt es auf den Punkt: „Diversity is an advantage for any company, and can be an important factor in its success. Over more than 40 years of building our businesses at the Virgin Group, my colleagues and I have seen time and time again that employing people from different backgrounds and who have various skills, viewpoints and personalities will help you to spot opportunities, anticipate problems and come up with original solutions before your competitors do.“

Diversität sollte nicht verklärt werden. Natürlich sind auch Reibereien möglich. Aufgrund unterschiedlicher Wertvorstellungen sind Konflikte nicht auszuschließen. Die Gefahr von Lagerbildung besteht. Der Kommunikations- und Koordinationsaufwand ist bisweilen höher. Hier sind dann die Führungskräfte gefragt. Der Schlüssel zum Erfolg wird eine gelebte Vertrauenskultur zwischen allen Teammitgliedern sein.

Employland: Blick in die Zukunft, Deutschland in 15 Jahren: Deutschland hat es geschafft! Die Fachkräftesicherung läuft effizient und nachhaltig. Wie sieht die typische Belegschaft in Unternehmen in Deutschland dann aus?

Rolf Dindorf: Der demographische und digitale Wandel werden ihre Spuren hinterlassen. Die Belegschaften werden bunter, älter, heterogener und internationaler sein. Dazu kommt dann der Kollege Roboter.

Employland: Vielen Dank für das Interview, Herr Dindorf!

 

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Beitragsbild: istocksdaily / Istockphoto.com

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