Bilanz für das Jahr 2016: Seit zwei Jahren leistet das Projekt „Recognition Now and Be Connected“ wertvolle Arbeit, um die Möglichkeit der Anerkennung der Qualifikation unter der afrikanischen Community in Hamburg bekannt zu machen. Das Besondere an dem Projekt ist, dass Migranten selber es umsetzen. Zum Ende des Jahres 2016 präsentieren Projektleiter und Mitarbeiter ihre Erfolge und stellen ihre Willkommens- und Anerkennungslotsen vor, die die Community auf persönlichem Wege dort erreichen, wo formale Strukturen oft keinen Einzug finden.
„Wichtig ist Leidenschaft und Überzeugungskraft“, sagt Grace Udonsi, 47, aus Nigeria über ihr Engagement als Anerkennungslotsin. „Nicht immer möchten die Personen, die wir ansprechen auf Anhieb unser Angebot annehmen“. Die gelernte Bürokauffrau, die 2006 nach Deutschland kam, steht mit drei weiteren Lotsen vor den Teilnehmenden im Community Center Barmbek Basch in Hamburg, in dem kürzlich die Informationsveranstaltung des Projekts „Recognition Now and Be Connected – Willkommens- und Anerkennungslotsen in Hamburg“ stattfand. Abgesehen von den Anwesenden, leisten vier weitere ehrenamtliche Helfer ihren Beitrag.
„Es ist mir wichtig, Menschen, die einen Abschluss haben, die Chance zu geben, in ihrem Beruf zu arbeiten“
„Ich bin Elektrotechniker und bin nebenbei als Lotse tätig“, sagt Simplice Nkepseu, 41, aus Kamerun, der seit 1996 in Deutschland lebt, „es ist mir wichtig, anderen Menschen, die wie ich einen Abschluss haben, die Chance zu geben, auch in ihrem Beruf arbeiten zu können.“
Das Projekt ist eines von rund 400 Projekten des bundesweiten Förderprogramms Integration durch Qualifizierung (IQ). Nur 14 unter ihnen werden von Migranten selber organisiert – eines davon ist dieses. Es richtet sich mit seinem Fokus auf die Arbeitsmarktintegration an alle Neuzuwanderer in Hamburg, insbesondere an Afrikaner. Es informiert über die Anerkennung der Qualifikation und die Angebote zur Anpassungs- und Nachqualifizierung. Vier Angestellte in Teilzeit werden von den Willkommenslotsen unterstützt, die Zuwanderer beraten und begleiten, um ihnen den Weg in eine Beschäftigung zu erleichtern. Das Projekt arbeitet unter dem Dach des IQ-Netzwerkes Hamburg – NOBI und wird durchgeführt von der Arbeitsgemeinschaft selbstständiger Migranten e.V. (ASM). Das African German Information Center (AGIC) unterstützt bei der Ansprache in der Community.
Dass es mit offiziellen Strukturen oft schwierig ist, die Community zu erreichen, das betonen sowohl der Projektleiter Kenneth Gbandi als auch die Co-Projektleiterin Katarzyna Rogacka-Michels. Dabei spielt die räumliche Erreichbarkeit der offiziellen Strukturen ebenso eine wichtige Rolle wie Vertrauen und kulturelles Wissen. Das Engagement der Willkommenslotsen sei deswegen grundlegend für das Projekt.
„Sie sprechen vor Ort auf freundschaftlich-nachbarschaftliche Art die Mitglieder der Community an, die die offizielle Infrastruktur häufig nicht nutzen, unter anderem weil die Wege oft weit sind“, sagt Rogacka-Michels.
„Jede Gruppe hat ihre eigenen Codes, die wir oft nicht kennen“
Die Lotsen sind in der Community und deren Radius verankert und erreichen die Zielgruppe über informelle Kontakte, berichtet Lotsin Grace Udonsi. Sie selber spreche die Menschen beispielsweise sonntags in der Kirchengemeinde an oder knüpft Kontakte über Freunde.
Der persönliche Rahmen erleichtert es, dass die Angesprochenen sich dem Projektangebot öffnen. „Es hat geholfen, dass viele in Hamburg mich schon kennen und mir vertrauen. Das war sehr wichtig für den Erfolg“, berichtet ein weiterer Lotse und Journalist Tony Airhenbuwa, 56, der 1992 aus Nigeria nach Deutschland gekommen ist. Doch nicht nur aufgrund von Ort und Vertrauen bilden die Lotsen den Schlüssel für den Zugang zur afrikanischen Community:
„Jede Gruppe hat ihre eigenen Codes und Ansprachen, die wir oft nicht kennen“, sagt Rogacka-Michels und nennt ein Beispiel dafür, dass auch das Wissen um kulturelle Normen Voraussetzung ist, um erfolgreich zu sein. „Simplice erzählte mir, er kenne viele Frauen, die Abschlüsse haben, aber nicht arbeiten. Ich sagte: ‚Ja, geh hin, rede mit ihnen‘. Er erklärte mir, er könne das so direkt nicht tun. Er müsste zuerst mit den Ehemännern sprechen und diese überzeugen.“ Ihr Fazit: „Ohne unseren Lotsen könnten wir heute unseren Erfolg nicht präsentieren.“
„In der Community ist viel Potenzial, das wir gemeinsam nutzen können“
Die Bilanz des Projekts kann sich sehen lassen. 300 Menschen über Veranstaltungen und Treffs zu erreichen, das war das Ziel. Die Quote lag bei 900 Menschen im Jahr 2016 bis Ende November.
50 Menschen individuell zu beraten, plante das Projekt. Daraus wurden 59 Personen unter anderem aus Eritrea, von der Elfenbeinküste, aus Uganda, Äthiopien, Nigeria, Kamerun, Ghana, Togo und Guinea.
Ihr Alter lag im Durchschnitt bei zwischen 26 und 45 Jahren. 14 der Personen, die sich beraten ließen, waren berufstätig, einer davon als Minijobber, 44 hatten keine Arbeit.
„Die Zahlen zeigen, dass das Projekt notwendig ist, um den Erstzugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen und dass die Menschen sich diesen Zugang von unserem Projekt versprechen“, sagt Rogacka-Michels. „Das sind hohe Zahlen für so ein kleines Projekt“, sagt Marion Wartumjan, Geschäftsführerin von ASM e.V.: „In der Community ist viel Potenzial, das wir gemeinsam nutzen können. Da ist viel Dialog nötig.“
„Mit dem Anerkennungsverfahren ging alles sehr schnell“
Ein Beispiel dafür ist Jean Mbodiam, 37, der vor einem Jahr aus Kamerun nach Deutschland kam. Durch Recognition Now erfuhr er von der Möglichkeit, seine Qualifikation im Schiffsbau anerkennen zu lassen. Seit vier Monaten betreibt er das Anerkennungsverfahren. „Ich wusste, dass es schwierig ist, die Anerkennung der Qualifikation zu erhalten. Das entmutigt zuerst ein bisschen. Dann ging doch alles sehr schnell. Im Januar bin ich eine Woche lang in einem Unternehmen, um meine Kompetenzen unter Beweis zu stellen.“ Eine junge afrikanische Frau sitzt im Publikum. Stolz zeigt einer der Lotsen auf sie und berichtet, dass auch sie ein Anerkennungsverfahren für ihren Abschluss als Schneiderin durchläuft. Sie ist zu schüchtern, um sich dazu zu äußern, erhält dennoch einen kräftigen Applaus ebenso wie Jean.
Neuer Schwerpunkt für das Jahr 2017
Erfolge also runden das Jahr 2016 ab – und Lerneffekte. So soll das Jahr 2017 einen etwas anderen Schwerpunkt haben, sagt Marion Wartumjan von ASM e.V. „Wir haben gelernt, dass wir über die Anerkennung der Qualifikation hinaus den Einstieg in den Job mehr unterstützen und die interkulturelle Öffnung von Unternehmen fördern müssen.“ Im kommenden Jahr sollen gezielt Unternehmen angesprochen und die Beschäftigung von Afrikanern bei diesen gestärkt werden.
Das African German Information Center (AGIC) informiert über Chancen auf dem Arbeitsmarkt, Berufsausbildung, Weiterbildung und Anerkennung der Qualifikation. AGIC baut Brücken zu den zuständigen Behörden und Integrationsangeboten in Hamburg.
Die Arbeitsgemeinschaft selbstständiger Migranten e.V. wurde 2007 gegründet. Sie bietet Migranten Informationen und Beratung an. Der Verein gewinnt Unternehmer mit Migrationshintergrund als Ausbilder und berät sie über Berufsbilder. ASM informiert Jugendliche zum Thema Ausbildung und vermittelt direkt in Ausbildungsbetriebe. Außerdem berät ASM Menschen, die sich selbstständig machen wollen.
Das Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung“ zielt auf die nachhaltige Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von Erwachsenen mit Migrationshintergrund ab. Das Programm wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) und des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert. Partner in der Umsetzung sind das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Bundesagentur für Arbeit (BA).
Auch in unserem Blog: Geflüchtete in den Arbeitsmarkt integrieren: Unternehmen sind aufgerufen, Engagement zu zeigen – aber auch Sensibilität. Die besondere Lebenssituation von Geflüchteten bedarf auch der Beachtung. Ein Gastbeitrag von Tina Lachmayr, Leiterin der Fachstelle interkulturelle Kompetenzentwicklung und Antidiskriminierung des IQ-Netzwerkes. Sie berät Betriebe in Sachen Diversity Management und Willkommenskultur. Auch interessant: Beate Spyrou, Projektleiterin vom IQ Netzwerk Hamburg – NOBI, berichtet in ihrem Gastbeitrag von Maßnahmen, die auf die Anerkennung von Auslandsqualifikationen und die berufliche Integration von Migranten in Hamburg abzielen.